Die Rache der Engel

damit beschäftigt sind, alte Taufbücher und Totenregister auf Mikrofilm aufzunehmen, um sie vor dem » Ende der Tage« in Utah aufzubewahren. Sie glauben– oder das berichteten mir zumindest die Geistlichen, die über diese Obsession für das Register genauso überrascht waren wie ich–, dass nur diejenigen, deren Stammbaum in einem Spezialbunker archiviert ist, den sie in Salt Lake City gebaut haben, eine echte Option auf das ewige Leben erhalten.
    » Smith hat nicht nur die Adamanten an sich gebracht, Mrs Faber«, erläuterte Dujok und riss mich damit aus meinen Grübeleien, » sondern er gab ihnen auch den Namen zurück, unter dem sie in der Antike bekannt waren. Wenn Sie diesen Namen erfahren, werden Sie ihren unendlichen Wert womöglich noch mehr zu schätzen wissen.«
    » Noch mehr?«
    » Ja«, sagte er. » Sehen Sie, zu den Enthüllungen, die Joseph Smith zusammen mit den Steinen erhielt, gehörte auch die, dass einst Abraham einer ihrer prominentesten Besitzer war. Er muss sie von Noahs Nachfahren geerbt haben. Er nannte sie Urim und Thummin.«
    » Urim und… wie bitte?«
    » Das bedeutet ›Licht‹ und ›Offenbarung‹ auf Althebräisch, Mrs Faber. Natürlich setzte der Stammvater Israels sie für prophetische und für kommunikative Zwecke in Ur ein, in der Nähe der heutigen Stadt Nasiriya im Irak. Dort hat man auch die Tontafeln aus dem 17 . Jahrhundert vor Christus mit Fragmenten des Gilgamesch-Epos gefunden.«
    » Dann hat also schon Abraham diese Steine besessen?«
    » So ist es. Die Liste der berühmten Persönlichkeiten, die bis 1827 mit ihnen Umgang hatten, ist beeindruckend. Sie reicht von Moses zu Salomon, der sie zusammen mit dem Tempelschatz aufbewahrte, über römische Kaiser, Päpste, Könige, Bankiers, Politiker…«
    » Und was war mit Smith?«
    » Er ist verrückt geworden«, erwiderte Dujok mit ernster Miene, während er sich auf die Graphiken konzentrierte, die nun auf dem Bildschirm erschienen. » Er hatte seine Rolle als letzter Prophet, den Jesus sandte, um uns zu erlösen, dermaßen verinnerlicht, dass er seine eigene Kirche gründete, aber Jahre später wurde er in Illinois von seinen Gegnern gelyncht. Urim und Thummin sind vermutlich bei dem Tumult verschwunden. Man hat nie wieder von ihnen gehört… Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.«
    » Nicht in der Öffentlichkeit? Was soll das heißen?«
    » Nachdem ihr Verbleib vierzig Jahre unbekannt war, wurden sie während der Regierungszeit von Chester Arthur im Südwesten der USA gefunden. Sie wurden von Hopi-Indianern behütet, mit denen Arthur Verhandlungen aufnahm, um sie zu bekommen. Damals, bei den ersten Untersuchungen in den Labors der Marine, entdeckte man, dass die Steine Auffälligkeiten aufweisen, die nichts mit bekannten Stoffen gemein haben. Sie veränderten gleichermaßen ihr Gewicht, ihre Farbe oder ihre Temperatur, als würden sie mit externen Signalen in Verbindung treten oder auf diese reagieren.«
    » Und jetzt passiert Ihrer Meinung nach wieder so etwas, nicht wahr?«
    » Das meine ich nicht nur«, sagte Dujok und deutete auf seinen Rechner. » Es passiert gerade. Sehen Sie her!«

56
    Biep. Biep. Biep.
    Kurz nacheinander empfing Ellen Watsons Blackberry drei neue Nachrichten. Die Beraterin des Präsidenten las sie während des Landeanflugs auf den Flughafen von Lavacolla, 17 Kilometer östlich von Santiago de Compostela. Denn nun war sie wieder in Reichweite eines Senders. Alle drei Nachrichten waren als dringend markiert.
    Die erste kam von diesem Dummkopf namens Richard Hale, der in Madrid einen so schlechten Eindruck auf sie gemacht hatte. Sie enthielt ein aktuelles Foto von Julia Álvarez, einen Text– Das ist Ihre Zielperson. Seit 5 Jahren mit Martin Faber verheiratet, ehemaliger NSA -Angehöriger – und eine knappe Zusammenfassung des Gesprächs, das Nick Allen mit der Frau kurz vor ihrem Verschwinden in Santiago geführt hatte . Inspector Antonio Figueiras wird Ihnen in jeder Hinsicht behilflich sein. Er leitet die polizeilichen Ermittlungen vor Ort. Gefolgt von dessen Handynummer.
    Ellen lernte die Telefonnummer auswendig, warf einen Blick auf das Foto und schloss die Nachricht mit einer Daumenbewegung. Gespräch mit Colonel Allen, notierte sie sich.
    Die zweite, noch kryptischere Nachricht kam aus ihrem Büro in Washington. Ellen war verwundert. Die letzte Order hatte sie gerade erst von dort erhalten, als ein Kollege sie anrief und mit dem nächsten Flugzeug nach Galicien schickte. » Der