Die Rache der Horden
Offiziere schrien Befehle. Hinter Pat krachten ein Dutzend Kanonen. Sekunden später stiegen Erdfontänen entlang des Höhenzuges auf. Die vorrückende Reihe der Merkireiterei wurde gebremst, wendete und zog sich hinter den Höhenzug zurück.
»Das müsste die Bastarde erst mal aufhalten!«, sagte Schneid und lachte kalt.
»Ihre Leute schlagen sich gut«, lobte Pat und salutierte mit einer fleischigen Hand, als die Nachhutbrigade den Hang heraufkam und über sein Lob jubelte.
Mit der freien Hand hob er den Feldstecher und sichtete die Felder ringsherum. Das 2. Korps zog sich in einem riesigen Halbkreis zurück. Wellen von Rauch markierten die Frontlinie. Die Truppen behielten ordentlich ihre Formation bei, etwas, was er noch tags zuvor nicht für möglich gehalten hätte, als die Merki aus dem Wald gestürmt waren und die Frontlinie an einem halben Dutzend Stellen durchbrochen hatten.
Die achtzig Kilometer Wald hatten ihnen jedoch viel mehr zu schaffen gemacht als der Rus- und Roum-Infanterie, die das Gelände kannten und sich zu ihrer Nachschubbasis zurückzogen. Die wenigen durchgebrochenen Merki-Einheiten wurden abgeschnitten und erbarmungslos vernichtet. Erst heute Morgen war ihre erste organisierte Einheit den Pfad von Jaroslaw herabgestürmt, bis zum Mittag ein volles Umen. Pat hatte mit der Versuchung gerungen, einen Gegenangriff zu führen, aber ein solcher hätte bestenfalls zu einem kleinen Sieg geführt, wäre aber mit der Gefahr einhergegangen, seine beiden Korps zu verlieren. Das war es nicht wert.
Hätte nie gedacht, dass ich mal so vorsichtig sein würde, dachte er. Werde wohl alt. Vor einem Jahr noch hätte ich gesagt: greifen wir die Mistkerle an, und zur Hölle mit den Folgen.
Aber jetzt nicht; heute nicht mehr. Er wurde mit dem Sandwich fertig, öffnete die Feldflasche und spülte das fettige Schweinefleisch mit warmem Wasser hinunter, bei dessen Geschmack er das Gesicht verzog. Dann setzte er von neuem den Feldstecher an.
Weit im Westen konnte er gerade eben noch die niedrigen Hügel nördlich von Suzdal erkennen, mehr als sechzig Kilometer entfernt, und dünne Rauchfahnen markierten, was die Ufer des Neiper sein mussten.
»Aerodampfer im Anflug!«, rief jemand, und er drehte sich um und blickte nach Süden. Ein Dutzend kleine Punkte näherten sich in großer Höhe.
In der Stadt legten die Kirchenglocken los. Dort herrschte bereits das Chaos. Züge parkten über fast zwei Kilometer und warteten darauf, die Truppen zu evakuieren. Hinter der Stadt erkannte Pat in einem flachen Tal, umgeben von Wald, die hohen Dächer der Hangars von Jacks Flotte. Eine rote Flagge wurde dort am Wachtturm gehisst.
»Verdammt armselige Leistung!«, bellte Schneid.
»Wahrscheinlich ist die Telegrafenleitung aus Suzdal gekappt worden, sodass die Meldung nicht weitergegeben werden konnte.«
»Nun, falls die Merki eine Lok treffen und die Linie blockieren, sind wir alle erledigt.«
Pat blickte erneut nach Westen und Norden. Dunkle Kolonnen zogen über die Felder – die Merki fächerten aus, sondierten die Flanken, machten sich bereit, zum entscheidenden Schlag auszuholen.
Jack lief zur Kabine der Flying Cloud, deren Triebwerk schon Wärme abstrahlte. Heute waren sie schon zweimal in der Luft gewesen und die Front entlang geflogen, um den Vormarsch der Merki auszukundschaften und anschließend im Sinkflug zurückzukehren und Meldungen an die Truppen am Boden weiterzugeben. Sie sprachen von einem Anblick, bei dem ihnen fror: Merki-Kolonnen schlängelten sich durch die Wälder und reichten bis zum Neiper zurück. Es schien, als wäre der Wald lebendig von einem dunklen Kriechgewächs, das sich in Wellen hindurchbewegte. Metall blitzte auf; gegerbtes Leder wurde ebenso sichtbar wie Pferde und bunte Standarten, der Waldweg gesäumt von einer Geschützbatterie nach der anderen.
Auf der anderen Seite der Lichtung wurde die Yankee Clipper vorsichtig aus dem Hangar gezogen. Die China Sea hatte sich schon vor einer Stunde nach Osten gewandt, nach Kew, wo die neuen Hangars im Bau waren. Jack plante, ihr innerhalb einer Stunde zu folgen, wonach die Bodenmannschaften zur Bahnlinie marschieren sollten, um den letzten Evakuierungszug zu nehmen. Die Männer waren schon nervös, aber er hatte ihnen versprochen, dass es noch einige Stunden dauern würde, ehe die Merki eintrafen.
Seit zwei Wochen war das Flugwetter bestenfalls unsicher. An den wenigen Tagen, an denen sie gestartet waren, hatte ein starker Wind aus dem Norden
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