Die Rache der Horden
einige Zeit mit ihnen beschäftigen, aber beide Kessel entwickelten Risse, als wir das Schiff hoben. Man findet im Rumpf einiges, wofür wir bislang nicht das richtige Werkzeug haben.«
»Tun Sie, was Sie können, Mr. Bullfinch«, sagte Andrew leise.
Dann wandte er sich seufzend an Emil.
»Ich stelle Chloroform her, so rasch ich nur kann. Andrew, vorsichtig geschätzt, wird ein ausgewachsener Krieg gegen diese Ungeheuer dreißig- oder vierzigtausend Mann Verluste mit sich bringen. An Seide herrscht Knappheit – sie wurde komplett für die Ballons verwendet. John hat uns Priorität eingeräumt, was hochwertigen Stahl für Operationsbesteck anbetrifft, aber auch die besten Instrumente der Welt sind in den Händen eines Tollpatschs nutzlos. Ich muss ein paar hundert Feldärzte und eintausend Krankenschwestern ausbilden. Ihre Kathleen hat die Schwesternschule gut organisiert und unterrichtet persönlich den ersten Schwung Roum-Arzte. Das Problem besteht darin, dass ich vielleicht gerade mal zwanzig gute Leute in Feldmedizin ausgebildet hatte, als der Tugarenkrieg zu Ende war. Mit Büchern und Vorlesungen erreiche ich nur begrenzten Erfolg; diese Männer und Frauen werden die Theorie lernen und sie dann zum ersten Mal im Feld ausprobieren müssen.
Amputation lernt man nur auf einem Weg, und das ist die Praxis. In Friedenszeiten haben wir hier herzlich wenig davon, vielleicht eine Hand voll pro Monat.«
»Was wir Ihnen zu verdanken haben«, warf Casmar ein. »Dieses Karbolsäurespray und Ihr Beharren auf sterilen Instrumenten hat die Infektionen auf einen Bruchteil des früheren Wertes reduziert. Das tote Fleisch, das Sie Gangrän nennen, tritt nicht mehr annähernd so häufig auf wie früher.«
Emil nickte dankbar und mit erkennbarem Stolz. Kathleen hatte ihm ermöglicht, eine medizinische Revolution bei den Rus in die Wege zu leiten, die er nie für möglich gehalten hätte. Die Vorlesungen, die er auf der Ärzteschule hielt, waren angefüllt mit seinen neuen Theorien: koche alle Instrumente und Verbände, wasche die Hände zwischen allen Untersuchungen und Behandlungen in einer Karbolsäurelösung, säubere die Wunden und sprühe noch mehr Karbolsäure hinein.
Obwohl die Ressourcen bis an die Grenzen strapaziert waren, hatte Andrew ihm einen drastischen Zuwachs an medizinischen Assistenten zugestanden. Im alten Krieg gegen die Rebellen war Emil der einzige Feldarzt mit nur einem Assistenten für ein Regiment aus fünfhundert Mann gewesen. Hier verlangte er die doppelte Anzahl an Feldärzten und wollte außerdem, dass jeder Einheit drei Assistenten zugeteilt wurden. Gegen Johns beinahe hysterische Proteste hatte man einen Sonderzug mit fünfzehn Waggons für den Transport der Verletzten gebaut. Voll ausgerüstete Krankenhäuser standen inzwischen in Suzdal, Nowrod, Kew und Roum, und außerdem verfügte man inzwischen über die nötigen Zelte für ein Feldlazarett, das dreitausend Mann aufnahm. Andrew wusste jedoch: so sehr dies alles eine Verbesserung gegenüber den alten Verhältnissen darstellte, reichte es immer noch nicht, um Emil wirklich zufrieden zu stellen.
»Die meisten meiner Leute werden ihre ersten Eingriffe im Feld vornehmen, wo dann schon fünfzig weitere Patienten auf ihre Behandlung warten. Verdammt, ich kann unmöglich feststellen, wer dabei wirklich gute Arbeit leisten wird und wer bei erster Gelegenheit kotzt und ohnmächtig wird, sobald er sieht, wie man einen Jungen mit heraushängenden Eingeweiden hereinträgt.«
Er schüttelte den Kopf.
»Gott helfe den armen Jungs, die zuerst bei denen landen …«
Andrew konnte sehen, dass diese Vorstellung den alten Arzt bekümmerte, den schon vor dem Anblick schmutziger Hände schauderte und der sich in der Potomac-Armee den Ruf eines Spinners erworben hatte, indem er über antiseptische Chirurgie und seinen Mentor Semmelweiss schwadronierte.
»Wir müssen alle unser Bestes tun«, sagte Andrew, lehnte sich zurück und nickte dem Burschen dankbar zu, der ihm einen weiteren Becher heißen Tees einschenkte.
Es versprach ein langer Tag zu werden, ein sehr langer Tag. Jeder einzelne Punkt war im Detail zu diskutieren. Als Nächstes stand eine Konferenz mit sämtlichen Korps- und Divisionskommandeuren der Potomac-Front auf der Tagesordnung, und danach mussten sie im Verlauf der beiden anschließenden Tage aufs Neue die gesamte hundertachtzig Kilometer lange Linie besichtigen.
Er betrachtete Hans. Der alte Sergeant saß in Gedanken versunken da und
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