Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
Vom Netzwerk:
nass von Tränen.
    Der Traum war sanft und weich, als schwebte er wie auf einer Wolke im leichten Wind dahin. Das Feld war grün, von einem intensiven Grün, das man nur in der Wärme des Spätfrühlings erblickte, wenn jeder Atemzug erfüllt wurde vom Duft des Lebens. Dieses Grün schien sich in die Endlosigkeit zu erstrecken, ein wogendes Meer aus hohen schwankenden Grashalmen, deren Farbtönung wechselte, wenn die Schatten der Wolken über sie hinwegzogen wie weiße Blütenblätter über ein vom Wind gepeitschtes Meer.
    Irgendwie wusste sie letztlich, dass sie träumte. Seltsamerweise spielte der Traum nicht hier. Nein, das war nicht Waldennia, es war zu Hause auf dem anderen Planeten, auf der Erde. Sie fühlte sich wieder jung, war aufs Neue ein Mädchen von fünfzehn Jahren. Damals hatte sie draußen in Illinois dieses Bild gesehen, wo ihr Vater an der Eisenbahnlinie nach Galena arbeitete und wo sich die Prärie wie ein gewaltiger Ozean bis zum Horizont ausbreitete.
    Falls sie sich nur umdrehte, würde sie den Vater hinter sich sehen und er ihr dieses traurige, abwesende Lächeln schenken. Sie konnte den Tabak an ihm riechen und das leise Aroma seines nachmittäglichen Brandys.
    Gott, das war so schön, so ganz anders als die stickige Enge von Boston!
    Ist es ein Traum? Es musste ein Traum sein. Daddy war tot, und es lag ein halbes Lebensalter zurück, dass sie fünfzehn gewesen war. In diesem Augenblick fühlte sich jedoch alles so wirklich an.
    Warum tue ich das, warum träume ich das?
    »Es ist schön, nicht wahr, Kathy Schatz?«
    Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken – es war Daddys Stimme, und sofort verschleierten Tränen ihren Blick.
    »Es ist ein Traum«, flüsterte sie.
    »Wirklich?« Er lachte leise.
    Jetzt fiel es ihr wieder ein. Das war ihr heimlicher Platz, die niedrige Anhöhe, die sie nach Mamas Tod entdeckt hatte. Hier, unmittelbar vor der Stadt, lag die Mutter begraben. Kathy kam jeden Tag her und setzte sich ans Grab, redete mit ihr, blickte über die endlose Prärie hinweg und fand darin einen gewissen Trost – und hier fand sie sich jetzt wieder.
    »Ich habe Angst, Dado.« Während sie das sagte, hörte sie die eigene Stimme wie die eines kleinen Mädchens, das in den irischen Zungenschlag hinüberglitt, den zu überwinden sie sich so sehr bemüht hatte.
    »Du hast jedes Recht zur Angst«, flüsterte er.
    Sie spürte sanft seine Hand auf der Wange und fing an zu zittern.
    »Du bist doch tot.« Sie brachte die Worte kaum heraus.
    »Eigentlich nicht, nicht für meinen Kathy Schatz. Nichts kann dieses Band trennen, weder hier noch dort. Ich bin immer bei dir, Kathy mein Engel.«
    Ohne den Blick zu wenden, streckte sie die Hand hinter sich aus und spürte, wie seine Hand sie packte.
    Der Wind umwehte sie seufzend; das hohe Gras raschelte, und der kühle Duft goldener Blüten stieg in die Luft.
    »Du weinst ja.«
    Die Stimme klang sanft, und es war eine andere Stimme, wie aus einem anderen Land.
    Sie spürte, wie die Hand leichten Druck ausübte, und dann trennte sich das feine Garn ihres Traums auf.
    Ein leises Ticken warf Echos. Beharrlich redende Stimmen drängten sich in ihre Aufmerksamkeit. Ein ferner Donnerschlag erschütterte die Fensterscheiben.
    Erschrocken fuhr sie hoch, und ein Arm legte sich ihr um die Schultern. Noch ein Donnerschlag krachte, gefolgt von zwei weiteren in größerer Nähe. Die Gerüche von Wolle, Pferd und Leder stiegen Kathleen in die Nase, und eine Stimme flüsterte ihr ins Ohr: »Ist schon in Ordnung, Liebling; nur wieder ein Luftangriff auf die Fabriken.«
    Ein hoher, anhaltender Schrei weckte sie nun ganz. Andrew saß neben ihr auf dem Bett, hatte den Arm um sie gelegt und wiegte sie. Er war zu Hause, war seit gestern hier. Gestern Abend hatten sie getanzt, die ganze Nacht hindurch, und dann … Deshalb hatte sie jetzt bis in den Vormittag hinein geschlafen. Es war eine solch lange, wundervolle Nacht gewesen, zum ersten Mal seit fast zwei Monaten.
    Der Schrei zog sich in die Länge, verlangte nach Aufmerksamkeit, und durch ihre Tränen sah Kathleen, wie Maddie sich neben ihr im Bett aufrichtete, erschrocken über die Bomben und das Antwortfeuer der Artillerie, wie sie die Arme ausstreckte und darum bettelte, aufgehoben zu werden. Sie mussten gemeinsam eingeschlafen sein, nachdem Andrew gegangen war.
    Der Traum? Sie wusste, dass sie geträumt hatte, aber die Erinnerung daran verblasste schon, noch während sie sie festzuhalten versuchte. Sie packte

Weitere Kostenlose Bücher