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Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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errichtet aus übrig gebliebenem, geschnorrtem Bauholz. Ihr Eröffnungsprogramm war eine erfolgreiche Vorstellungsreihe des Kaufmanns von Venedig, die dreißig Abende lang lief. Das Stück war ins Rus übersetzt und mit dem Titel Der Bojar von Nowrod versehen worden, wobei Shylock zu einem früheren Bojaren umgedeutet wurde. John beschwerte sich zwar darüber, nötige Ressourcen wären verschwunden und jede Menge Zeit auf das Theater vergeudet worden, aber Andrew unterstützte das Projekt aus vollem Herzen und vermutete, dass bei John mehr als alles andere methodistische Empfindlichkeiten der Grund für den Protest waren. Allerdings pflichtete er John darin bei, dass Julius Cäsar aus diplomatischen Gründen vorläufig zensiert werden musste, um Marcus und die Roum zu schonen.
    Andrews Gruppe ließ das Theater nun zurück und ging hangaufwärts, gefolgt von den letzten Zuschauern. Andrew blickte zum Himmel, saugte die anhaltende Wärme auf find genoss den Anblick der Sterne. Einen ganzen Tag lang hatte er den Druck vergessen, unter dem er sonst stand. Er konnte im Grunde auch nicht mehr viel tun. Die Armee war in Stellung gegangen, die Vorposten achtzig Kilometer weiter draußen auf den Pässen. Der heutige Abend war ein letzter kurzer Augenblick der Entspannung und zugleich sein erster Besuch zur Hause seit dem Typhusschub. Seine Begleiter lachten fröhlich über Pats Darbietung im Theater, und der Artillerist beteiligte sich mit etlichen rüden Bemerkungen über Bob am Vergnügen.
    Sie schlenderten lässig durch die Dunkelheit und näherten sich dem Park des Yankeeviertels. In vielen Häusern am Platz brannte noch Licht. Im Zentrum des Platzes spielte die Kapelle im achteckigen Musikpavillon gerade eine Quadrille, und Paare wiegten sich im Schatten. Für die Männer des 35. und der 44. und ihre Damen hatte man eine Truppenschau und einen Freiluftball veranstaltet, der auch parallel zur Theateraufführung seinen Fortgang genommen hatte. Paare kamen in der Dunkelheit an der Gruppe vorbei; leise Stimmen flüsterten teils in Rus, gelegentlich auch Latein und Carthanisch, manche in Englisch, wieder andere in einer Mischung aus allen vier Sprachen.
    Die Kapelle stimmte jetzt einen Quickstep an, und die Paare, von denen viele die dazugehörigen Tanzschritte nicht richtig kannten, lachten und tanzten um den Pavillon herum, dass ihre Schatten im Fackellicht flackerten.
    Andrew blieb stehen und sah ihnen zu.
    »Meine Herren, das Haus steht offen«, sagte Kathleen leise. »Pat, Sie wissen schon, wo der Wodka versteckt ist.«
    »Und seien Sie alle leise«, mischte sich Kai ein, »sonst fällt meine Ludmilla über Sie alle her, weil Sie das Baby aufgeweckt haben.«
    Pat verneigte sich dankbar vor Kathleen, und die kleine Gruppe, die sich rings um sie gebildet hatte, überquerte den Rasen und suchte sich dabei einen Weg zwischen den Tänzern.
    »Erinnert mich an 1864«, sagte Kathleen und betrachtete die Tänzer mit wehmütigem Lächeln.
    »Wie kommt es?«, fragte Andrew.
    »Das Zweite Armeekorps veranstaltete einen Ball zu Washingtons Geburtstag. Es war ein bewegender, wundervoller Abend mit all den schönen jungen Offizieren und ihren Damen. Sie tanzten die ganze Nacht hindurch, eine letzte romantische Nacht.«
    Sie schwieg.
    »Und drei Monate später folgte der Virginia-Feldzug.«
    »Denken wir jetzt lieber nicht daran«, flüsterte Andrew.
    Sie blickte zu ihm auf und lächelte.
    »Nein, lieber nicht.«
    Er reichte ihr die Hand, und sie schmiegte sich in seine Arme, als die Kapelle nun wieder einen Walzer anstimmte.
    Andrew fühlte sich von jeher unbeholfen, wenn er tanzte, aber hier und jetzt schienen sie beide förmlich dahinzufließen und schwebten über den Rasen hinweg, zusammen mit all den jungen Soldaten, alten Veteranen, den lächelnden Mädchen, die vor Liebe leuchteten, den Ehefrauen mit Tränen in den Augen. Alle schienen sich der Umstände bewusst, und doch waren alle zumindest in diesem Augenblick von dem Traum gebannt, dass die Zeit für sie stillstand, dass der Tanz weiterging, die Musik nie wieder aufhörte. Dass dieser Augenblick zur Wirklichkeit wurde und „zumindest bis zur Morgendämmerung die Dunkelheit abwehrte, die sich aus dem Süden näherte. Die Paare wiegten sich in den Schatten, und die Kapelle spielte weiter – und die freundlichen Klänge stiegen zu den Sternen auf.
    Kai stand allein daneben und betrachtete sie, den Hut in der Hand, den Kopf wie zum Gebet gesenkt, das Gras unter seinen Füßen

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