Die Rache der Horden
auf die rechte Flanke werfen sollte. Die Flussmündung sicherte er mit einem halben Dutzend Panzerschiffen, sodass die Merki unmöglich Boote heranholen konnten, um ihre Krieger über den Fluss zu setzen.
Trotzdem musste er die langen Frontabschnitte, die sich kilometerweit erstreckten, mit Stellungen sichern, denn sie völlig ungeschützt zu lassen hätte nur bedeutet, eine Katastrophe heraufzubeschwören. Dann brauchten nur ein paar hundert Merki nachts an einer ungeschützten Stelle herüberzuschwimmen, und schon hatten sie in wenigen Stunden eine Bresche geschlagen, an der sie eine Pontonbrücke errichten konnten, um die Stellung zu sichern.
Seit Monaten rechnete er immer wieder an dieser Zwickmühle herum. Entweder hielten sie hier durch, oder feindliche Artillerie fuhr am Ufer des Neiper auf.
»Es bleibt dabei«, sagte Andrew leise und blickte Hans offen in die Augen. Er empfand auf einmal einen kalten Schauder, als hätte er gerade einen Pfad betreten, den er nicht mehr aufgeben konnte.
Hans rang sich ein Lächeln ab.
»Es ist eine harte Entscheidung, so oder so, mein Junge«, sagte er sanft.
»Aber ist es auch die Richtige?«, flüsterte Andrew.
Hans legte den Kopf etwas auf die Seite, und ein finsterer Ausdruck lief über sein Gesicht.
»Was habe ich Ihnen beigebracht, als Sie noch ein junger Captain waren?«
»So jung nun auch wieder nicht«, erinnerte ihn Andrew.
»Treffen Sie Ihre Entscheidung und leben Sie dann damit«, sagte Hans, und die Spur eines väterlichen Untertons schwang in diesen Worten mit. »Sie haben die Entscheidung getroffen, die Sie für die beste halten, und wäre ich an Ihrer Stelle, hätte ich womöglich die gleiche Entscheidung getroffen.«
Er zögerte kurz und goss sich das Glas noch einmal voll. Er blickte zu Pat hinüber, der jedoch in einer untypischen Geste der Enthaltsamkeit das Glas mit der Hand abdeckte.
Hans zuckte gutmütig die Achseln und kippte sich den Wodka hinter die Binde. Er stand auf, ging in die Ecke hinüber und nahm den Sharps-Karabiner zur Hand, der trotz des Generalsrangs, den Hans inzwischen bekleidete, nach wie vor die Waffe seiner Wahl war.
»Ich kehre am besten auf meine Position an der Front zurück.«
Schüsse knatterten draußen, erstarben aber ebenso schnell wieder.
»Vergessen Sie eines nicht, Andrew Lawrence Keane: ob Sie hier gewinnen oder verlieren, zweifeln Sie nie daran, dass Sie kommandieren können. Denn selbst falls wir hier draußen geschlagen werden – sollten Sie jemals an sich selbst zweifeln, dann, mein Gott, werden Sie sterben und mit Ihnen alle, die Ihnen folgen. Das würde ich Ihnen nie verzeihen, wenn wir uns in der nächsten Welt wiedersehen.«
Andrew stand auf und hatte auf einmal den Wunsch, seinen alten Freund zu umarmen, entschied sich dann jedoch gegen eine solch äußerliche Demonstration von Gefühlen.
Er wollte so vieles sagen, aber ein Blick von Hans reichte, damit er schwieg. Nichts musste gesagt werden; in fast acht Jahren des gemeinsamen Kriegsdienstes hatten sie gelernt, die feinsten Nuancen im jeweils anderen zu verstehen, und die leiseste Geste vermittelte mehr, als Worte jemals hätten ausdrücken können.
»Seien Sie vorsichtig, Hans.«
»Ich sehe Sie, sobald alles vorbei ist«, sagte Hans. Er drehte sich um und traf Anstalten hinauszugehen.
»Sobald alles vorbei ist, Sie alter Deutscher, gehen die Getränke auf mich!«, rief ihm Pat ein bisschen zu laut nach.
Hans blickte zurück, und ein schmales Lächeln erhellte seine grauen Züge. Er spuckte einen Strom Tabaksaft an die Hüttenwand.
»Sie werden sich gut schlagen, mein Junge«, sagte er, dass man es kaum hören konnte, und war verschwunden.
»Colonel Keane!«
Stöhnend öffnete Andrew die Augen. Ein junger Bursche stand neben dem Bett, eine Petroleumlampe in der Hand.
»Was ist los?« Andrew war sofort wach und setzte sich im Feldbett auf.
»Barney möchte Sie sehen, Sir.«
»Probleme?«
»Sie sollten lieber kommen und es sich ansehen«, sagte der Junge mit einer Spur Nervosität im Ton.
Andrew stand auf, zupfte an der zerknitterten Uniform und gab dem Burschen mit einem Wink zu verstehen, er möge ihm in den Mantel helfen.
In der Hütte war es kalt, da das Herdfeuer heruntergebrannt war. Ein paar Stabsoffiziere saßen am langen Kartentisch, hatten die Köpfe auf den Armen liegen und schnarchten leise.
Andrew ging hinüber und stieß einen mit dem Stiefel an.
Der junge Mann rührte sich und richtete sich mit einem gedämpften
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