Die Rache der Horden
Fluch auf.
»Verzeihung, Sir, bin eingenickt.«
»Offenkundig«, sagte Andrew leise.
Er blickte auf die Uhr in der Ecke gegenüber. Kurz vor fünf; in anderthalb Stunden würde es hell werden. In einer halben Stunde müsste die Front auf den Beinen sein.
Er verließ die Hütte und blickte sich um. Shaduka war bis fast auf den Horizont gesunken und warf einen mattroten Schein über die Bollwerke.
»Wo steckt Barney?«
»Auf seinem Kommandoposten«, antwortete der Bursche und zeigte in die Richtung.
Die Luft war frisch um diese Zeit, wiewohl durchsetzt mit den Gerüchen eines Heerlagers: von Schweiß, Pferden, schlecht gekochtem Essen, menschlichen Exkrementen, nackter Erde. Der Geruch von Zuhause, dachte Andrew.
Die Erde war nass vom Tau. Am Himmel leuchtete das Große Rad eindrucksvoll am oberen westlichen Himmel, obwohl die schwächeren Sterne vom Mond überstrahlt wurden. Aber es blieb ein eindrucksvoller Anblick.
An der Ausfallpforte betrat er die Festung, überquerte den schmalen Paradeplatz und stieg auf den Festungswall. Barney lehnte an der Brüstung, nahm aber Haltung an, als Andrew auf ihn zutrat. Pat, noch immer nicht nach Suzdal zurückgekehrt, blickte Andrew an und nickte ihm zu.
»Tut mir Leid, Sie belästigen zu müssen, Sir«, sagte Barney nervös, »aber ich wollte, dass Sie sich das anhören.«
Andrew hätte am liebsten eingewandt, dass Barney sich zunächst an seinen Divisionskommandeur hätte wenden können und dann den Korpskommandeur, den alten Sergeant Barry, und so den Dienstweg hinauf, aber er verzichtete dann doch darauf, sich in diesen Verdruss hineinzusteigern. Zuzeiten führte der Dienstweg in die sichere Katastrophe.
»Was ist es?«, fragte Andrew und klappte den Mantelkragen hoch, um sich vor der Kälte zu schützen.
»Barney hat Recht, Andrew«, sagte Pat. »Hören Sie sich das nur mal einen Augenblick lang an.«
Andrew legte den Kopf schief und beugte sich über die Brüstung. Die Männer rings um ihn waren mucksmäuschenstill.
Ein schwaches, gleichmäßiges Grollen war zu hören, Hämmern und murmelnde Stimmen, kaum auszumachen über dem Plätschern des Flusses in der steinigen Furt.
»Das hat um Mitternacht herum angefangen, Sir. Mehrere Schüsse fielen, und einmal haben wir einen lauten Schrei gehört, der von einem Menschen zu stammen schien, Sir. Das hat mich und die Jungs die Nacht hindurch ganz schön nervös gemacht.«
Andrew blickte nach Osten. Der Himmel schien dort in die ersten Indigotönungen der Morgendämmerung überzugehen, aber es war immer noch tiefe Nacht.
»Die Männer sollen an die Gewehre.«
In Sekunden war der Ruf zu den Waffen die Linie entlanggelaufen und hallte noch in der Ferne wider. Jetzt konnte man die Geräusche vom anderen Ufer nicht mehr hören, als Männer schimpfend und fluchend ihre Posten in der Linie zwischen den Kameraden einnahmen, die dort schon Seit Mitternacht Wache hielten. Andrew hatte gehört, dass die Merki, wie die Tugaren, traditionell nicht nachts kämpften, aber die Tugaren hatten diesen Brauch schließlich aufgegeben, was dann in der Schlacht auf dem Pass beinahe zu einer Katastrophe führte.
Die Minuten schienen ewig zu dauern. Ein Bursche brachte Andrew eine Tasse heißen Tee und eine Scheibe Käsebrot. Andrew nippte an dem heißen Gebräu, während er an der Brüstung lehnte, und verfolgte, wie sich der Nachthimmel einem Vorhang gleich öffnete. Im Südosten ging der zweite Mond auf, dessen Sichel noch ein paar Tage von Neumond entfernt war.
Die Flussmitte zeichnete sich in einem Schleier ab. Nebelfetzen folgten der Strömung, während die Uferböschungen noch von dichten Nebelschwaden bedeckt lagen. Über dem anderen Ufer hing noch Nachtdunkel, aber schon jetzt konnte man sehen, dass sich die Landschaft dort verändert hatte. Fahle Gestalten verschwanden mal im Nebel und tauchten mal wieder daraus auf. Andrew setzte den Feldstecher an, aber noch war das Licht zu fahl und die Aussicht vom Nebel behindert.
Leise fluchend leerte er die Tasse und gab dem Burschen mit einem Wink zu verstehen, er solle noch je eine Tasse für Barney und ihn bringen.
Der Osthimmel hellte sich weiter auf und wurde scharlachrot. Eine einsame Narga ertönte am anderen Ufer, in Sekunden gefolgt vom ansteigenden Donner vieler Trommeln und Hörner. Schattengestalten rührten sich, und dann stieg ein tiefes Heulen am Südufer auf, unter dem das Blut in den Adern gefror. Ein dissonanter Singsang, der stieg und fiel, die Worte unkenntlich,
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