Die Rache der Horror-Reiter
Fenster, sondern Scheiben.
Autoscheiben!
Jetzt wußte der Chinese genau Bescheid. Er lag auf dem Rücksitz des Bentley. Dorthin hatte ihn jemand verfrachtet. Wer? John Sinclair vermutlich.
»John?« stöhnte der Chinese.
Er erhielt keine Antwort.
Schwerfällig wälzte sich Suko auf die Seite. Dort blieb er liegen und konzentrierte all seine Kräfte darauf, die Schmerzen in seinem Schädel zu besiegen.
Suko beherrschte die Kunst der Selbstüberwindung, die Yoga-Lehre.
Nicht zum erstenmal probierte Suko es aus, gegen Schmerzen anzukämpfen. Obwohl dies Zeit kostete, blieb er ruhig liegen, rührte sich nicht. Die Zeit mußte er sich einfach nehmen, denn er ahnte, daß er gebraucht wurde.
Eine Viertelstunde verging.
Und Suko schaffte es tatsächlich, die bohrenden Schmerzen zu überwinden. Er fühlte sich wieder besser und auch freier. Nur ein taubes, dumpfes Gefühl war in seinem Kopf geblieben, das ihn jedoch nicht weiter störte.
Die Schmerzen würden noch einmal zurückkehren. Später.
Dann hoffte Suko, daß alles vorbei sein würde.
Vorsichtig setzte er sich auf. Seine Beine zitterten. Er tastete seinen Körper ab.
Die Dämonenpeitsche fehlte.
Suko nahm an, daß John Sinclair sie mitgenommen hatte, aber an den Stab hatte John nicht gedacht.
Den trug Suko noch bei sich. Ebenfalls die Beretta. So war er nicht waffenlos, wenn er den Wagen verließ.
Suko bewegte sich auf die Tür zu. Seine zitternden Finger fanden den Hebel, und langsam drückte er die Tür auf.
Kühle Luft traf und erfrischte ihn.
Es war dunkel geworden. Trotzdem erkannte der Chinese die wuchtigen Klostermauern vor sich.
Die gewaltige, uneinnehmbar scheinende Wand ragte vor ihm in die Höhe.
Er hörte auch Stimmen.
Hektisch, gellend, sich manchmal überschlagend. Auf dem Innenhof mußte eine kleine Hölle toben. Ein rötlicher Widerschein tanzte unruhig auf der Mauerkrone.
Licht von Fackeln?
Suko stemmte sich ab. Es gelang ihm, auf den Beinen zu bleiben, aber nur, weil er sich am Dachrand des Wagens abstützte. Seine Knie zitterten noch immer, er hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, der Erdboden schwankte. Er kam Suko wie ein Meer vor, doch der Chinese riß sich zusammen.
Er durfte nicht aufgeben.
Suko stieß sich vom Wagendach ab. Der Weg führte schräg auf das Klostertor zu.
Breitbeinig wankte der Chinese seinem Ziel entgegen. Er preßte die Lippen zusammen und biß die Zähne aufeinander, als ihn ein erneuter Schwächeanfall überfiel und er einen Brechreiz spürte. Folgen des schweren Schlages, die auf eine Gehirnerschütterung hindeuteten. Suko machte weiter. Er durfte nicht aufgeben, nicht jetzt, da er sich dicht vor dem Ziel befand.
Noch fünf Schritte bis zum Tor. Eine lächerliche Distanz. Für Suko bedeutete sie jedoch Schwerstarbeit. Seine Füße schleiften über den Boden, die Beine wollten ihm nicht mehr gehorchen, aber der Chinese machte weiter.
Das Tor!
Es ragte vor ihm hoch, doch Suko sah auch die schmale Seitenpforte, die sogar offenstand.
Eine Einladung nahezu…
Suko streckte den linken Arm aus. Mit der rechten Hand holte er seinen aus Tibet mitgebrachten rätselhaften Stab hervor.
Er stieß die Tür auf.
Sukos Augen wurden groß, als er sah, was sich auf dem Innenhof ereignete.
John Sinclair war an einem Baum gefesselt, und vier Reiter ritten von vorn auf ihn zu. Der Reiter ganz außen hob seinen rechten Arm, um die Lanze zu schleudern.
Der Chinese nahm alle Kraft zusammen, als er das bewußte Wort schrie.
Es ermöglichte ihm, die Zeit anzuhalten.
»Topar!«
***
Das Unwahrscheinliche geschah. Sämtliche Menschen auf dem Hof erstarrten.
Nur einer konnte sich bewegen.
Der Besitzer des Stabs!
Fünf Sekunden blieben dem Chinesen. Und er sah, daß er wirklich im allerletzten Augenblick gekommen war. Etwa ein Yard vor John Sinclairs Brust war die Lanze zur Ruhe gekommen. Sie schwebte in der Luft, und sie bildete im Augenblick die größte Gefahr.
Noch einmal riß sich Suko zusammen. Er stolperte quer über den Hof auf die Lanze zu, umfaßte den Schaft und riß die Waffe weg. Wütend schleuderte er sie irgendwohin.
Dann drehte er sich um.
Die Zeit war vorbei.
Alles lief genau da weiter, wo es fünf Sekunden zuvor stehengeblieben war.
***
Ich erwartete den Todesstoß, doch die Lanze befand sich nicht mehr dort, wo sie noch hatte sein sollen.
Dafür sah ich Suko, der mich aus großen Augen anschaute und dann neben mir zusammenbrach.
Er konnte nicht mehr.
Alvarez' wilder Schrei brach
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