Die Rache der Jagerin
angeht.«
»Nein.« Phin schüttelte den Kopf, indem er ihn ruckartig hin- und herschnellen ließ. »Nein, kann man nicht. Du warst bereit, dich von deinen Freunden und Kollegen abzuwenden, um das zu tun, was du für richtig hältst. Nur wenige entscheiden sich so ehrenhaft, wenn sie dabei alles verlieren.«
Mir schoss der Gedanke an Kismet durch den Kopf, die so zerrissen gewesen war, ob sie mir glauben oder mich zum Schweigen bringen sollte. Sie hatte es nicht fertiggebracht, den beschwerlichen Weg zu gehen und Vertrauen in mich zu setzen. Denn sie war eine Soldatin, für die es nichts Wichtigeres gab, als Befehle zu befolgen. Und ich hatte alles in Frage gestellt, woran sie glaubte, und den Status quo bedroht. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen, dass sie versucht hatte, mich zu töten.
Trotzdem würde ich ihr nicht wieder ohne Waffen entgegentreten.
»Und was heißt das jetzt für uns?«, fragte ich. »Willst du immer noch, dass wir dir Rufus ausliefern?« Phins Zögern beantwortete meine Frage. »Wie es scheint, habe ich meinen Teil des Deals nicht eingehalten, was? Dir die Hohen Tiere auszuliefern, bevor Aurora ihr Kind zur Welt bringt.«
»Genau genommen habe ich dir bis morgen Zeit gegeben«, erwiderte er. »Wenn du mir hilfst, die anderen Zweifachwandler zu beschützen, ist seine Schuld vergessen.«
»Wie soll ich sie beschützen, wenn ich nicht weiß, wer sie sind?«
»Ich denke, das wirst du heute Abend herausfinden. Jenner kann sehr überzeugend sein, und du hast es geschafft, ihn auf deine Seite zu bringen.«
»Wie das?«
»Du hast ihm die Stirn geboten, und das ist er nicht gewohnt. Dadurch hast du dir seinen Respekt verdient. Zudem hast du dein Versprechen gehalten, indem du dein Bestes getan hast, um Aurora zu beschützen.«
Da überkam mich eine gewisse Neugierde. »Was das angeht: Was ist aus Belle geworden?«
Phin machte ein düsteres Gesicht. »Sie hat vom Alpha der Felia eine Warnung erhalten, nie wieder Dinge an sich zu reißen, die ihr nicht gehören.«
»Eine Warnung?« Als ich den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte, verzichtete ich auf weitere Nachfragen. Gut. »Okay, was passiert jetzt? Hat sich Calls Gruppe gestern Abend irgendwo anders versammelt?«
»Falls sie es getan haben, wurde ich nicht darüber benachrichtigt.«
»Könnte es der falsche Tag gewesen sein? Könnte er die Versammlung heute Abend dort abhalten, auch wenn die Triaden das Haus beobachten?«
»Ich weiß es nicht. Tut mir leid. Falls er dies tut und die Triaden auftauchen, um alle zu stellen, werden sie sich einer dreifachen Übermacht gegenübersehen. Sie würden niedergemacht werden.«
»So dumm sind sie nicht, dass sie in diese Falle hineinspazieren.« Und wenn sie so dumm wären, würde ich sie daran hindern. »Zwar haben sie innerhalb einer Woche zweimal versucht, mich zu töten, aber die Triaden sind das Einzige, was die Stadt vor den Dregs schützt.«
Die letzte Bemerkung entlockte beiden Männern einen Aufschrei. Ich hob die Hand, um Wyatt Schweigen zu gebieten, und wandte mich zuerst an Phin. »Mit dem Begriff ›Dreg‹ habe ich in diesem Fall nicht alle Nichtmenschen gemeint, sondern diejenigen Arschlöcher, die uns auslöschen wollen – ganz gleich, welcher Abstammung sie sind.«
Damit schien Phin sich zufriedenzugeben. Wyatt dagegen schaute mich mit einer seltsamen Mischung aus Ärger und Verblüffung an. »Evy, was zum Teufel ist in der Fabrik geschehen?«, fragte er. »Was hat Gina getan?«
»Ihren Job«, gab ich zurück. Und eigenartigerweise sah ich es tatsächlich so. »Ich wurde zu einer Gefahr für die Triaden – dieses Mal sogar absichtlich. Deshalb ist sie dem Protokoll gefolgt.«
»Hat sie das Feuer gelegt?«
»Das spielt keine Rolle.«
»Und ob es …«
»Nein, Wyatt, tut es nicht.« Ich zerrte so lange an seinem Arm, bis er sich hinkauerte und wir auf gleicher Augenhöhe waren. Dann fasste ich nach seinem Kinn und hielt ihn fest. »So sehr ich ihr den Hintern versohlen möchte wegen meiner Beine, spielt es auf lange Sicht verdammt noch mal keine Rolle. Und in dieser Angelegenheit kommt es einzig darauf an, was ich sage.«
Die Anspannung fiel von ihm ab. Obwohl er mit meiner Entscheidung nicht glücklich war, gab er nach. »Na schön, dann spielt es eben keine Rolle.«
Ich ließ sein Kinn los und kaufte es ihm beinahe ab. Er war nachtragender als ich und wäre erst völlig zufrieden, wenn er alle Einzelheiten über das Feuer kannte. Irgendwann würde ich es ihm erzählen,
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