Die Rache der Jagerin
zu, doch er lachte laut heraus. Gerade wollte ich etwas sagen, als mir ein eigentümlicher Geruch in die Nase stieg. Er schnüffelte. Ich schnüffelte. Was zum Henker …?
»Ich glaube, sie braucht eine neue Windel«, sagte Wyatt.
Ich stöhnte. Aurora lächelte, nahm mir Ava mit geübten Handgriffen ab und ging hinaus. Ich wackelte mit den Zehen und testete meine Beinmuskeln durch. Dabei hatte ich Mühe zu begreifen, was eben geschehen war. Offenbar war ich nun das therianische Äquivalent zu einer Patin für Auroras Tochter. Hui. Immerhin fühlten sich meine Beine kräftiger an und würden mich bald wieder tragen können. Wahrscheinlich hatten meine Muskeln während der vierundzwanzigstündigen Bewusstlosigkeit etwas gelitten.
»Nur um das einmal zusammenzufassen«, ergriff ich das Wort. »Wir haben keine Spuren mehr, die wir verfolgen könnten, und keine Ahnung, was Call als Nächstes machen wird.«
Wyatt nickte, aber Phin sagte: »Nicht ganz.«
Abrupt hob ich den Kopf. »Kannst du das vielleicht etwas genauer erklären?«
»Snow meinte, dass er mich Call heute Abend vorstellen würde. Ich soll ihn um vier Uhr treffen.«
»Und wann wolltest du uns das bitte schön mitteilen?«
»Ich hätte es beinahe gar nicht gemacht.« Bevor ich ihn anschnauzen konnte, fuhr er fort: »Weil ich wusste, dass du mitgehen willst, wenn ich es dir sage. Und ich muss dich daran erinnern, dass Snow davon ausgeht, dass du meine nymphomanische Freundin bist. Und zudem bist du seines Wissens tot. Und ich wollte die unvermeidlichen Diskussionen darüber umgehen, ob ich einen Abhörsender tragen soll oder nicht.«
Der Punkt ging an ihn.
Wyatts Hand wanderte zu meiner eingewickelten Taille – eine sanfte und beschützende Berührung. »Dass Snow davon ausgeht, dass du tot bist – hat das irgendetwas damit zu tun, dass er dich in den Bauch gestochen hat?«
»Ja«, gab ich zurück und legte meine Hand auf seine. Einerseits tat mir seine Wärme gut. Und andererseits wollte ich ihn davon abhalten, aus der Wut heraus zu handeln, die ihm im Gesicht geschrieben stand. Zu Phin sagte ich: »Also wirst du dich alleine mit Snow treffen. Und dann?«
»Ich hoffe, dass er mich zu Call bringt. Dem will ich so viele Antworten wie möglich entlocken und sie an euch weiterleiten, noch bevor irgendetwas Entscheidendes passiert. Danach sehen wir weiter.«
»Dieser Plan gefällt mir gar nicht.«
»Warum? Weil du darin nicht mitspielen darfst?«
»Ja, und weil du da alleine hingehst, ohne dass wir dir im Notfall zu Hilfe eilen können.«
Phin bedachte mich mit einem langmütigen Lächeln. »Das ist reizend.«
Ich zog die Stirn kraus. »Das meine ich ernst, Phin.«
»Du weißt, dass ich selbst auf mich aufpassen kann.«
»Gegen ein halbes Dutzend Boxer bestimmt. Aber was, wenn eine Meute von sechzig Dregs entscheidet, dass sie dir nicht über den Weg traut und dich in Fischadlerfilets verwandeln will?«
»Das wird nicht passieren.«
»Du bist dir deiner Schauspielkünste ja verdammt sicher.«
Er lachte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Vor allem bin ich mir meiner Stellung in der Zusammenkunft sicher. Call weiß, wer ich bin. Ganz gleich, wie viele seiner Leute Therianer sind: Er wird den Zorn der Zusammenkunft nicht heraufbeschwören wollen, indem er mich tötet. Verstümmeln vielleicht, womöglich sogar foltern, aber töten wird er mich nicht. Was immer die Ziele dieses Mannes sind, er will keine Feinde, sondern Unterstützung.«
»Es sei denn, sie kommt von den Triaden«, fügte ich mit einem hämischen Schnauben hinzu.
»Ja.«
»Wir könnten dir mit einem gewissen Abstand folgen.«
»Das kriegen sie mit, Evy. Ob sie euch nun sehen, hören oder riechen, sie werden auf jeden Fall merken, dass sie jemand beobachtet.«
Dieses Wortgefecht würde ich nicht gewinnen, und ich hasste es, wenn ich verlor. Ganz gleich, was ich sagte, Phin würde sich heute Nachmittag mit Snow treffen. Wir durften ihn weder verwanzen, noch durften wir ihm folgen. Mehr Möglichkeiten fielen mir nicht ein. »Na gut, meinetwegen. Aber versprich, dass du vorsichtig bist. Ich weiß zwar nichts über diese Aluli- Sache, aber irgendetwas sagt mir, dass es dazugehört, den Agida nicht verrecken zu lassen.«
Phin nickte und lächelte, aber in seinen Augen lag keine Freundlichkeit. Nur unerbittliche Entschlossenheit. »Ich bin so vorsichtig wie möglich, das verspreche ich dir. Wenn wir damit genügend im Kreis herumdiskutiert haben, schaue ich jetzt mal nach
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