Die Rache der Jagerin
hast nur gemeint, dass ich nicht das Recht dazu habe, es zu tun.«
Was zum …? »Weißt du, wie man Leute nennt, die Veränderungen durchsetzen, indem sie anderen ihren Willen aufzwingen? Diktatoren.«
»Einige Diktatoren sehen sich als Visionäre.«
»Ja, aber die Geschichte zeigt, dass die meisten von ihnen Irre und Mörder sind.«
Erneut dieses verrückte Lächeln. »Ich kann verstehen, was Wyatt an dir findet. Als Jägerin hast du ihn bestimmt zur Verzweiflung gebracht, denn anscheinend ist es deine Art, alles in Frage zu stellen.«
Ich schnaubte. »Ja, und es ist auch meine Art, einen Verdächtigen, der nicht kooperiert, zu Brei zu schlagen und mir dabei einen Ast zu lachen.«
»Ich unterbreche diesen kleinen Erfahrungsaustausch unter Kollegen nur ungern, aber die Zeit drängt«, unterbrach Eleri uns.
Cole schob den Ärmel seines Mantels nach oben und schaute auf seine Armbanduhr. »In zwanzig Minuten geht der Vorhang hoch. Danke, dass du mich daran erinnerst, Eleri.«
War das ein geheimes Signal? Oder meinte er damit, dass es zwanzig vor sieben war? Auf jeden Fall müssten die Dinge ein wenig schneller als bisher fortschreiten.
»Ich bin hier, Cole«, sagte Wyatt und machte einen Schritt nach vorn. Snow legte ihm eine Hand auf die Brust, um ihn aufzuhalten. »Was willst du?«
»Ich? Eigentlich gar nichts. Als ich zurückkam, wollte ich dir das Herz mit dem Buttermesser herausschneiden. Lange habe ich dich beobachtet und mir alle möglichen Pläne zurechtgelegt und Kontakte geknüpft. Dann habe ich von deiner Affäre mit dem Wiederauferstehungsmädchen gehört – wie du deine eigenen Verbrüderungsverbote über den Haufen wirfst, weil du dich in deine Jägerin verliebst. Und da habe ich beschlossen, dass der Tod eine zu milde Strafe wäre.«
In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken. Trotz der Verwirrung, die der Verlust der Kluft verursachte, und dem Schlag gegen den Schädel, den mir Cole versetzt hatte, stellten sich allmählich Verbindungen zwischen einzelnen Punkten her. Der orangefarbene Kristall. All die Dinge, die er über uns wusste. Der Unbekannte, der Tovin bei seinen verrückten Experimenten im Labor geholfen hatte und die Kobold- und Halbvampscharen gelenkt hatte. Das Timing der Ereignisse der letzten Woche. Das Eingeständnis des Highschool-Champions, dass jemand anderer als Tovin ihn und seine Kumpels eingestellt hatte.
Dieser dreckige Mistkerl!
»Ich glaube, da hat jemand das Puzzle zusammengesetzt«, stellte Cole fest. Vermutlich schaute er mich an, aber ich konnte nicht anders, als Wyatt anzustarren. Der erwiderte meinen Blick. Aus meinem völlig sonderbaren und noch nie da gewesenen Gesichtsausdruck dürfte er nicht schlau geworden sein. »Mach schon, Evangeline, und erkläre es ihm. Du willst es ihm doch sagen.«
Das wollte ich durchaus. Stattdessen wandte ich mich allerdings wutschäumend zu Cole um. Jedes Verständnis und Mitleid, das ich für ihn empfunden hatte, war einen raschen Tod gestorben, und ich ließ meinem Abscheu und meinem rasenden Zorn freien Lauf. Nur die Pistole, die er mir mittig gegen die Stirn drückte, hielt mich davon ab, über ihn herzufallen. Wenn mich das kalte Metall auch zurückhielt, so vermochte es doch meine Wut nicht zu ersticken.
»Was zur Hölle hat Tovin dir angeboten, Cole? Was hat er dir dafür versprochen, dass du deine Artgenossen verraten hast?«
Von hinter mir erklang ein erstickter Laut aus Wyatts Kehle, aber ich hielt den Blick starr auf Cole gerichtet.
»Schutz für Rains Volk«, antwortete Cole. »Und für alle anderen Therianer. Wenn Tovin den Unreinen beschworen und seine Herrschaft begründet hätte, sollten die Therianer im Tausch gegen ihre Nichteinmischung Unabhängigkeit erhalten.« In seinen braunen Augen schwelte Hass. »Nach der Vernichtung von Phineas’ Clan war dies das Mindeste, das wir verlangen konnten.«
Er wollte die Therianer beschützen, weil er eine von ihnen geliebt hatte. Das konnte ich nachvollziehen. Seine Vorgehensweise hingegen würde ich ihm niemals verzeihen. Indem er Tovin geholfen hatte, war er am Tod meiner Partner mitschuldig. Am Tod von Rufus’ Jägern und den sechs, die im Gehege gestorben waren. Und er war an meinem eigenen Tod mitschuldig. »Du rettest die Therianer, und was bekommen die Menschen? Die werden einer Horde Dämonen als Hauptspeise serviert, während Kobolde und Halbvamps darum herumsitzen und sich an den Resten gütlich tun?«
»Ich war so voller Zorn, dass mir reichlich egal
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