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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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gegenseitigen Schuldzuweisungen. Lass uns zuerst einmal mit alten Freuden bekannt werden.«
    Noch nie hatte ich Wyatt so bleich gesehen, seine Haut war beinahe durchscheinend. Er starrte rechts an mir vorbei auf Call und war so angespannt, dass ich glaubte, gleich würde eine Feder aus ihm herausspringen wie bei einer Aufziehfigur im Cartoon. Er rührte sich nicht und schien kaum zu atmen. Am liebsten wäre ich zu ihm hingerannt und hätte ihn geschüttelt.
    »Ich sehe, du erinnerst dich an mich«, bemerkte Call mit einer Spur Belustigung in der Stimme. Ich ballte die Faust und sehnte mich danach, ihm eine zu verpassen. »Komm schon, Wyatt, fällt dir nach vier Jahren nichts Besseres ein, als hier wie eine Mumie herumzustehen?«
    »Entschuldige, dass ich dich enttäusche, Cole«, brachte Wyatt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Die Mumie kann sprechen!« Call stieß einen Schrei aus wie ein ausgelassenes Kind, und bei dem Laut lief es mir eiskalt über den Rücken.
    Ich drehte mich ein wenig, so dass Eleri hinter mir stand und ich Call aus dem rechten Augenwinkel beobachten konnte, denn ich wollte ihn nicht im Rücken haben. Ich sah zu Wyatt, und als sich unsere Blicke schließlich trafen, machte ich ein Gesicht, das etwas wie »Hoppla« ausdrücken sollte. Wir befanden uns in einer seltsamen Pattsituation, und Call/Cole hatte das Sagen.
    »Willst du mich nicht fragen, wie lange ich schon zurück in der Stadt bin?«, sagte Cole. Er schlenderte in meine Richtung, die Pistole noch immer auf meine Brust gerichtet. »Willst du nicht wissen, was ich so getrieben habe? Wie ich mit dem Leben in einer fremden Stadt zurechtgekommen bin? Ohne mich daran erinnern zu können, wer ich war und woher ich kam?«
    »Das interessiert mich nicht«, erwiderte Wyatt kühl.
    Cole kicherte und wandte sich mir zu. »Und was ist mit dir, junge Dame? In letzter Zeit hast du immer wieder unter Beweis gestellt, wie schwer du zu töten bist, weißt du das? Aber davor habe ich Respekt. Das ist der Kampf- und Überlebensinstinkt eines Jägers. Den haben wir gemeinsam.«
    Ich kniff die Augen zusammen. »Ich habe mich nicht von den Triaden abgewandt, um mich mit einer Meute verdammter Dregs zu verbünden, du Arschloch.«
    »Zuerst haben sich die Hohen Tiere von mir abgewandt, aber damit hast du ja Erfahrungen aus allererster Hand, nicht wahr, Evangeline?« Die Art, wie er meinen Namen aussprach, ließ mich erschauern, denn es klang, als würde er mich kennen. Als wüsste er jedes Detail meines Lebens und alles, was ich in den letzten zwei Wochen durchgemacht hatte. Vielleicht wusste er es tatsächlich, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er mich kannte oder dass wir uns auch nur im Geringsten ähnlich waren.
    »Wyatt hat dich verschont«, blaffte ich ihn an.
    »Glaubst du?«, fragte er, als würden wir uns darüber unterhalten, ob in ein Gericht eher Zimt oder Ingwer hineingehörte. Als handelte es sich um völlig banale Dinge, statt um eine Sache von Leben und Tod. »Wie würdest du dich fühlen, wenn ich Wyatt gleich jetzt eine Kugel in den Kopf jagen, dir mit einem Zauberspruch die Erinnerung rauben und dich hundert Meilen von hier wegbringen würde, wo du ganz auf dich alleine gestellt ein neues Leben aufbauen müsstest? Würdest du dich verschont fühlen, wenn du drei Jahre später aufwachen würdest und dich aus irgendeinem Grund, den dir kein Zauberer erklären kann, wieder an deine verschüttete Vergangenheit erinnern könntest? Nennt sich das verschont werden? Oder würdest du dich vergewaltigt fühlen? Deiner Existenz beraubt, nur weil ich es so befohlen habe?«
    Die Wut in mir näherte sich dem Siedepunkt und ließ mich die restlichen Kopfschmerzen vergessen. »Du hast überhaupt keine Ahnung von dem Leben, das ich verloren habe, oder wie gerne ich erfahren würde, wie es ist, den verantwortlichen Arschlöchern mit eigenen Händen die Kehle zusammenzudrücken. Aber ich versuche noch immer, diese Stadt zu beschützen, denn das bin ich nun mal.«
    »Und du glaubst, dass ich das nicht tue?«, fragte Cole.
    »Indem du eine Armee aufstellst, um die Triaden zu zermalmen? Nein.«
    »Selbst wenn die Triaden, wie du so schön sagst, zermalmt werden müssten?«
    »Was gibt dir das Recht, dies zu tun?«
    Er lächelte, und langsam hasste ich sein Lächeln, weil er damit so unschuldig wirkte. »Interessante Antwort, Evangeline.«
    »Ja? Und wieso das?«
    »Du hast nicht widersprochen, dass die Triaden zermalmt werden müssten. Du

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