Die Rache der Jagerin
üben Vergeltung, und dann sterben Tausende.«
»Dieses Risiko muss man eingehen, wenn es Auge um Auge geht.«
»Es muss aber nicht so sein.«
»Doch, das muss es.« Daran glaubte er. Er war von seiner Handlungsweise überzeugt, und kein Argument konnte ihn davon abbringen. Allerdings wussten die Triaden ja Bescheid, was passieren würde, und hoffentlich handelten sie schnell genug, um ein größeres Blutvergießen zu verhindern. Hoffentlich.
»Cole«, sagte Snow, »Ich würde das hier gerne auskosten und trotzdem drüben die Vorstellung mit ansehen. Können wir uns vielleicht ein bisschen beeilen?«
Mir krampfte sich der Magen zusammen. »Auf keinen Fall.«
Snow lachte – ein furchterregendes Geräusch. »Er bekommt eine faire Chance, Süße, denn Töten macht keinen Spaß, wenn sich das Opfer nicht wehren kann.«
Wyatt war vor gerade mal zwei Tagen operiert worden. Wenn er vollkommen fit gewesen wäre, hätte ich mir keine Sorgen gemacht, aber so? In einem Zweikampf gegen Snow würde er nicht länger als eine Minute bestehen. »Dann wird dir das Töten keinen Spaß machen, denn in seinem Zustand kann er sich nicht wehren«, sagte ich. »Kämpfe lieber gegen mich.«
»Evy!«, rief Wyatt.
»Kämpfe gegen mich«, wiederholte ich, ohne auf Wyatt zu achten. »Wenn du mich tötest, kannst du danach auch Wyatt töten.«
Erst wirkte Snow, als würde er mein Angebot ablehnen. Dann zögerte er und schien es in Erwägung zu ziehen.
»Denk nur an die Qualen, die er durchsteht, wenn er mir beim Sterben zuschauen muss«, fuhr ich fort, aber er zögerte noch immer. »Oder glaubst du, dass du es mit mir nicht aufnehmen kannst? Oder schlägst du keine Mädchen?«
»Mit dir habe ich kein Hühnchen zu rupfen«, sagte Snow.
Er biss nicht an. Ich ballte die Fäuste, damit meine Hände nicht zitterten. Nachdem wir so hart gearbeitet hatten, wollte ich Wyatt nicht auf diese Weise verlieren. Schließlich bemühten wir uns so sehr, unsere Dämonen aus der Vergangenheit zu bewältigen und uns eine Zukunft aufzubauen. Das durfte nicht alles umsonst gewesen sein.
Mein Blick traf Phin, der links von Wyatt stand. Oberlippe und Kinn waren voller Blut, und die Nase saß ihm eigenartig krumm im Gesicht, aber er schien wachsam zu sein. Seine Augen funkelten, und sein Blick glitt nach rechts. Zu Wyatt. Ich neigte ganz leicht den Kopf, in der Hoffnung, sein Zeichen richtig interpretiert zu haben. Gleichzeitig hoffte ich, dass er meines verstanden hatte.
Phin huschte um Wyatt herum, so dass er rechts von ihm stand, und schlug ihm mit der Faust gegen die Schläfe. Wyatt verdrehte die Augen und plumpste wie ein Stein zu Boden. Bewusstlos. Wenn er wieder zu sich käme, würde er eine Stinkwut haben. Snow dagegen war jetzt schon stinkig. Er knurrte mich an, was ganz unmissverständlich eine Herausforderung war.
»Scheint, als hättest du mit mir doch ein Hühnchen zu rupfen«, sagte ich.
»Geschickt gemacht«, meinte Cole. »Eleri, überlassen wir sie ihrem Schicksal. Nimm Phineas mit. Wir haben Plätze in der ersten Reihe, und wir sollten nicht zu spät kommen.«
Als Phin an mir vorbeiging, warf er mir einen besorgten Blick zu. Darüber hinaus bildete ich mir ein, auch eine Spur Bewunderung darin wahrzunehmen. Vielleicht täuschte ich mich aber auch. Ich zwinkerte ihm zu, um mich ihm gegenüber zuversichtlich zu geben, auch wenn ich es nicht war. Cole legte den orangefarbenen Kristall auf einem Tisch neben der Tür ab. Dann verließen die drei den Wintergarten, und ich war mit Snow allein. Anfangs starrten wir uns nur an.
»Ich weiß nicht, ob du tapfer oder einfach bloß dumm bist«, sagte er nach einer Weile.
Ich schnaubte. »Und ich weiß nicht, ob du noch nie etwas von Zahnbürsten gehört hast oder einfach bloß auf gelbe Zähne stehst. Also jetzt mal im Ernst?«
Er knurrte und bleckte die gelben Beißer. »Also doch dumm. Du weißt, was dieser Dreckskerl getan hat, und dennoch willst du ihn beschützen?«
»Darauf kannst du einen lassen.«
»Warum?«
»Weil es mich amüsiert.«
»Warum?«
Dieser kleine Scheißer war hartnäckig. Ich hatte tausend Gründe, Wyatt zu beschützen. Tausend Gründe, warum ich an seiner Stelle gegen Snow kämpfen wollte – und dass ich gut im Raufen war, war bei weitem nicht der Hauptgrund. Ich ertrug es nicht, dass Wyatt ein Leid zugefügt wurde – nicht, solange ich es verhindern konnte. Obwohl ich wegen dem, was er Cole angetan hatte, sauer auf ihn war, und obwohl mich die chaotischen
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