Die Rache der Jagerin
und hörte auch nicht auf, als ich mich in der Nähe der Telefonzelle materialisierte. Das Nagelbrett hatte ich noch immer in der Hand. Eilig schlüpfte ich in die Telefonzelle, nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer.
»Notrufzentrale, was möchten Sie melden?«, drang die abgehackte Stimme aus dem Hörer.
»Im Tonraum des Parker’s Palace Theaters ist eine Bombe, die in fünf Minuten hochgehen wird. Sie sollten lieber mal die Ärsche Ihrer besten Steuerzahler retten«, sagte ich und legte auf. Meine Hand zitterte, und ich wollte einfach nur kotzen. Polizeiverstärkung war besser als nichts.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, und ich hatte auch keine Geduld für Feinheiten mehr. Indem ich mich so dicht wie möglich an den Hauswänden hielt, rannte ich zum Theater. Hin und wieder warf ich einen Blick auf die umliegenden Dächer, um nach Scharfschützen, nach Cole oder sonst etwas Auffälligem Ausschau zu halten. Zwischen dem Theater und einem billigen Bürogebäude daneben verlief eine schmale, kaum einen Meter breite Gasse. Dort huschte ich hinein, ohne auf den Aufschrei einer Raucherin in Pelzmantel zu achten, und suchte nach einem Seiteneingang.
Auf halber Höhe der Gasse befand sich ein Notausgang. Außen hatte die Tür jedoch keinen Knauf. Mist. Irgendwie musste ich dort hineingelangen. Aus offensichtlichen Gründen musste man Notausgänge frei halten. Daher musste sich auf der anderen Seite der Tür eine freie Fläche befinden. Dass ich mich versehentlich in einen Gegenstand oder eine Person teleportierte, war also eher unwahrscheinlich.
Die Kopfschmerzen von meinem letzten Sprung waren noch nicht abgeklungen, aber ich hatte keine Zeit, zu warten. Ich rief das Gefühl der Einsamkeit in mir hervor, überließ mich der Kluft, wurde auseinandergerissen und bewegte mich auf die Tür zu. Dort traf ich auf etwas Rotes, Elektrisches und Undurchlässiges, das mich zurückschleuderte. Ich prallte gegen die Ziegelwand auf der anderen Seite der Gasse, und mit einem »Umpf« wurde mir alle Luft aus der Lunge gepresst. Tränen traten mir in die Augen, und mit pochendem Schmerz im Kopf glitt ich auf den feuchten Boden. Noch immer sah ich nur Rot um mich, und knisternd liefen die Nachbeben des Kraftfelds durch meinen Rumpf. Bittere Galle stieg in mir auf und brannte in meiner Kehle.
Ich schnappte nach Luft, und plötzlich verschwand das Rot vor meinen Augen, und es gelang mir, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Cole hatte das Theater also bereits abgeschirmt. Scheiße hoch zehn!
Ich rappelte mich auf, indem ich mich an der Ziegelwand abstützte, und unterdrückte einen kurzen Schwindelanflug. Nicht der beste Weg, einen Kampf zu beginnen. Ich rannte auf die Straße hinaus, wo ein Raucherpärchen erfolglos versuchte, in das Theater zu gelangen. Der Mann im Frack fasste immer wieder nach dem Türgriff und zog die Hand genauso oft ruckartig zurück, als hätte er sich verbrannt. Die Frau schaute sich panisch um und entdeckte mich. Ihre geschminkten Augen weiteten sich.
»Patrick«, sagte sie und zog ihn am Frack.
Patrick drehte sich um und wollte etwas sagen, doch als er meine blutüberströmte, zerzauste Gestalt – und meine Waffe – sah, erstarrte er.
»Tun Sie sich einen Gefallen und gehen Sie nach Hause«, wies ich sie an und ließ es so bedrohlich klingen, dass selbst der Unerschrockenste weiche Knie bekommen hätte. »Das Fest hat ohne Sie begonnen.«
Ohne mir zu widersprechen, packte er seine Frau/Verabredung/was auch immer und eilte mit ihr die Straße hinunter. Hoffentlich in Richtung ihres Wagens oder ihrer Limousine. Vielleicht riefen sie auch bei der Polizei an. Als Jäger hatte ich immer alles getan, um die normalen Polizisten aus unseren Angelegenheiten herauszuhalten. Heute jedoch wünschte ich mir, dass sie herkamen.
Ich wollte die Türe aufmachen, erhielt aber ebenfalls einen Stromschlag. Da half alles nichts. Die Fensterfront war von innen angestrichen, so dass man nicht ins Foyer sehen konnte. Inzwischen dröhnte die Musik etwas lauter, und es erklang ein anderes Stück mit denselben heulenden Trompeten. Ich schlug mit dem Brett gegen die Scheibe. Doch das Holz prallte davon ab, und wieder gab es einen roten Blitz, und elektrische Ladungen schossen in meinen Arm.
Das war gar nicht gut.
Da fiel ein Schatten auf den Gehsteig, schwebte herab, und neben mir landete der Turmfalke.
Ich runzelte die Stirn. »Ich dachte, ich hätte dir gesagt …«
Ihr Schrei war ohrenbetäubend
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