Die Rache der Jagerin
Hinblick auf das Wohl aller Clans getroffen. Und einige der einflussreichen Ältesten haben uns noch nie sonderlich gemocht. Statt als gejagte Außenseiter zu leben, haben wir uns für Anpassung und friedliche Koexistenz entschieden. Die Stämme der Cania und der Kitsune verachten uns. Unsere Rache ist ihnen scheißegal.«
Damit nahm unser Gespräch eine Hundertachtzig-Grad-Wendung. Von all den Namen wurde mir schwindelig, und ich hatte keinen blassen Schimmer, von welchen Werwesen er da sprach. »Okay, jetzt bin ich verwirrt. Willst du, dass ich dich vor etwas beschütze, oder willst du so eine Art Rachefeldzug durchziehen?«
»Der Vergeltungsschlag ist bereits in die Wege geleitet. Nur drei von uns haben das Massaker überlebt. Drei.«
»Auch in anderen Staaten gibt es Werwesen. Ihr könnt doch bestimmt …«
»Wir sind die letzten Kauzlinge, die letzten, die sich daran erinnern, wie man unter Menschen lebt. Keiner der Clans, die anderswo leben, ist mit uns verwandt. Wir waren anders. Die Cania rennen in ihren Rudeln herum und haben nicht viel Zeit füreinander, wenn sie sich nicht gerade paaren. Die Felia sind ihrer Gruppe treu, auch wenn viele herumstreunen und -wandern.« Er schüttelte den Kopf, und einige der Sturmwolken lösten sich auf. Zurück blieb eine trübsinnige Leere. »Nein, ich brauche jemanden, der einen größeren Abstand dazu hat, jemand, dem am Ausgang der Sache genauso viel liegt wie uns selbst.«
Okay, allmählich ergab das alles etwas mehr Sinn. Die Cania waren Werhunde, die Felia Werkatzen. Gut, hab’s verstanden. »Und … weiter? Du hast mich ausgewählt, weil ich mit Danika befreundet gewesen bin?«
»Ich habe dich gewählt, weil sie noch am Leben wären, wenn du dich den Triaden gestellt hättest.«
Mir wurde eiskalt. Der Umstand, dass er es vollkommen ruhig und ohne jeden Vorwurf aussprach, versetzte mir einen viel schmerzhafteren Stich ins Herz, als wenn er Gift und Galle gespuckt hätte. Es tat weh, weil er recht hatte. In den Stunden direkt nach dem Massaker, als ich nicht gewusst hatte, wohin ich mich wenden sollte, hatte mich genau derselbe Gedanken beschäftigt. Damals war mir jedoch klar geworden, dass ich es ohnehin nicht mehr ändern konnte. So war das Leben.
»Ich würde gern noch einmal sterben, wenn ich damit dein Volk zurückbringen könnte«, sagte ich.
»Ich glaub dir, aber du kannst nicht einen ganzen Volksstamm wieder zum Leben erwecken.«
Nein, das konnte ich nicht. Ich hatte Bauchschmerzen und sehnte mich danach, mich hinzulegen und auszuruhen. Die Sorgen von gestern schienen so weit weg zu sein, und dennoch waren sie nie wirklich verschwunden gewesen. Ich hatte bei den Kauzlingen Schutz gesucht, und sie waren gestorben, als meine ehemaligen Kollegen mich bei ihnen gesucht hatten. Wäre ich nicht dort gewesen, hätten die Hohen Tiere niemals den Vernichtungsbefehl gegeben. Darum war ich Phineas etwas schuldig. Und ich war es Danika schuldig.
»Wie lange soll ich dich beschützen?«, wollte ich wissen.
»Drei Tage, vielleicht auch vier.«
»Und was passiert in vier Tagen?«
Er fing an zu sprechen, brach aber wieder ab. Kurz darauf sagte er: »Das sollte ich dir zeigen.«
»Mir zeigen?«
Phin durchquerte das Wohnzimmer, und ich ging um die Theke herum, während ich ihn weiter im Auge behielt. Nachdem er die Wohnungstür geöffnet hatte, winkte er jemanden von draußen herein. In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken, und ich spannte mich an. Hastig ließ ich auf der Suche nach einer Waffe den Blick über den Tresen gleiten. Doch dort befanden sich nur ein halbvoller Kaffeebecher und ein Pfannenwender. Mist.
Die Wohnungstür quietschte, und Phin trat einen Schritt zurück. Ein Mann, ungefähr so alt wie Methusalem, torkelte herein. Er war groß, dürr und schlaksig. Um seine Augen und vom Kiefer hing seine faltige Haut schlaff herab, so dass er wie eine groteske Mischung aus Vogel und Bulldogge aussah. Ein fein säuberlich gezogener Mittelscheitel teilte das ordentlich gekämmte leuchtend weiße Haar, doch seine Kleider schlotterten an seiner hageren Gestalt wie leere Getreidesäcke.
Er bewegte sich schneller, als ich es ihm aufgrund seines Alters und seiner Statur zugetraut hätte, allerdings vermochte er kaum das Gleichgewicht zu halten. Taumelnd und rudernd kam er im kleinen Flur neben der Garderobe zum Stehen und blickte sich mit ruckartigen Kopfbewegungen um.
»Hier sind wir sicher, Joseph«, sagte Phin.
Der Alte schenkte ihm jedoch
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