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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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aber Kismet wollte mir nichts Genaues sagen.« Ich nahm ein Paar Jeans und ein sauberes Polohemd – mein Gott, hatte Alex auch noch etwas anderes getragen? – und warf sie Wyatt zu. »Zieh dich an. Wir müssen gehen.«
    Das tat er und ließ völlig ohne Scham das Handtuch fallen. Ich schaute zur Seite und nach oben und betrachtete Alex’ Zimmer zum ersten Mal etwas eingehender. Es war sauber und ordentlich, und alles war schlicht gehalten, auch die Farben. Beinahe unpersönlich. Es wollte überhaupt nicht zu dem vielschichtigen und leidenschaftlichen Mann passen, den ich kennengelernt hatte. Alex war so nachsichtig und fürsorglich gewesen.
    Vor meinen Augen schnippte jemand mit den Fingern. »Wo bist du denn gerade?«
    Ich blinzelte Wyatt an. »Entschuldige, nirgends. Lass uns gehen.«
    Im Wohnbereich roch es nach gebratenem Fleisch und Kaffee. Verloren blickte ich zu der Pfanne, unter deren Deckel Dampf hervorquoll, und zu dem Eierkarton neben dem Herd. Phin hatte sich neben der Spüle auf die Arbeitsplatte gesetzt. In einer Hand hielt er den Pfannenwender, in der anderen eine Kaffeetasse.
    »Du musst das Frühstück für uns kalt stellen«, sagte ich. »Ein Notfall. Wir müssen gleich losdüsen.«
    Die neue Situation schien Phin nicht im Geringsten zu überraschen. »Ist wohl etwas dazwischengekommen, was?«, erwiderte er nur.
    »Ja.« Ich eilte in die Küchennische und kramte so lange in den Schränken herum, bis ich eine Schachtel mit Gebäck für den Toaster auftrieb. Bei der Aussicht darauf, die Pop-Tarts kalt essen zu müssen, rümpfte ich die Nase. Immerhin waren es nicht die unglasierten.
    »Du isst lieber das da anstatt Steaks und Eier?«, fragte Phin.
    »Ganz bestimmt nicht, aber rohes, halb gefrorenes Steak krieg ich nicht runter, und wir können nicht warten, bis es fertig ist.« Ich nahm zwei Packungen aus der Schachtel. »Wenn ich nichts esse, falle ich um, und damit ist niemandem geholfen. Also gibt es eben diese kalten, trockenen Dinger mit künstlichem Erdbeergeschmack.«
    Wyatt fing das Päckchen auf, das ich ihm zuwarf. »Wie sieht’s mit einem Auto aus?«, erkundigte er sich.
    Mist. »Glaubst du, dass Chalice vielleicht ein eigenes Auto hat? Alex’ Wagen haben wir an dem Bahnhof zurückgelassen.« Selbst wenn sie tatsächlich ein Fahrzeug besaß und es in der Nähe geparkt war, hätte ich doch nicht die Schlüssel dazu.
    »Meinst du, wir kriegen in dieser Gegend ein Taxi?«
    »Wenn wir eins rufen. Ich glaube kaum, dass die auf der Suche nach Fahrgästen durch dieses Viertel kreuzen.«
    »Gibt’s hier ein Telefonbuch?«
    Ich rollte mit den Augen und schritt an ihm vorbei. »Vergiss es. Wir nehmen den Bus.«
    »Den Bus?«
    »Genau, einen Block weiter habe ich eine Bushaltestelle gesehen.«
    »Meinst du das ernst?«
    »Todernst.« Ich drehte mich um, ging in die Knie und zog mir ein Paar graue Laufschuhe an, die Chalice gehört haben mussten. Wenn man auf der Suche nach Antworten durch die Stadt jagte, waren gute Schuhe eine feine Sache. »Kommst du, oder was?«
    Als er sich näherte, warf ich ein Paar von Alex’ Schuhen in seine Richtung. Wyatt fing sie auf, schlüpfte schnell hinein und band sie zu. Sowohl die Schuhe als auch die Hose waren ihm zu groß. Letztere hatte er mit einem Gürtel auf der Hüfte festgezurrt, und insgesamt gab er einen reichlich seltsamen Anblick ab. Aber er würde die Schmach überleben. Hinter ihm sah ich Phin, der sich über den Tresen beugte, um uns zu beobachten.
    »Bleibt am besten hier«, meinte ich. »Wir sind so bald wie möglich zurück.« Joseph und Aurora in der ungesicherten Wohnung zurückzulassen war nicht gerade das, was ich mir unter meiner ersten Amtshandlung als ihre Beschützerin vorgestellt hatte. Aber ich sah keine andere Möglichkeit. Eine hochschwangere Wervogelfrau quer durch die Stadt zu schleifen, um meinen alten Geschäften nachzugehen, kam jedenfalls nicht in Frage.
    »Du vergisst nicht, was du uns versprochen hast«, entgegnete Phin, und es war keine Frage.
    »Ich habe dir mein Wort gegeben.«
    Er nickte und wandte sich wieder dem Frühstück zu. Sein Tonfall und die gelassene Reaktion auf unseren plötzlichen Aufbruch beunruhigten mich. Es gab die Möglichkeit, etwas mühelos wegzustecken. Und es gab die Möglichkeit, von etwas kein bisschen überrascht zu sein. Während Wyatt und ich den Korridor entlang zum Aufzug liefen, konnte ich mich einfach nicht entscheiden, was davon auf Phin zutraf. Und das verunsicherte mich noch viel

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