Die Rache der Jagerin
nicht darüber.
Und ich war nicht gewillt, darüber mit Gina Kismet zu reden. In den letzten paar Stunden hatten wir mehr Worte miteinander gewechselt als in den vergangenen vier Jahren, obwohl sich unsere Triaden hin und wieder über den Weg gelaufen waren. Vorher war sie mir immer sehr gesetzestreu, besonnen und kalt vorgekommen, vor allem, wenn sie es nicht mit ihrer eigenen Triade zu tun hatte. Was zum Henker wusste sie schon über meine Beziehung zu Wyatt?
»Nein«, sagte ich. »Es ist nicht leicht, wenn man sein Gehirn mit einem Geist teilen muss. Das ist der schwierige Punkt.«
Sie seufzte schwer und atmete durch die Zähne aus. Plötzlich sah sie ernüchtert aus. Weniger wie die diensthabende Handlerin, sondern mehr wie eine Freundin. »Wie du meinst, Stone. Aber soll ich dir mal etwas von Frau zu Frau sagen? Es wird nicht gutgehen.«
Ich zog eine Braue nach oben. »Was wird nicht gutgehen?«
»Beziehungen zwischen Handlern und Jägern sind zum Scheitern verurteilt. Das war schon immer so.« Der Schmerz, der auf einmal in ihrer Stimme mitschwang, erstaunte mich vollkommen. Ihre Haltung hatte sich nicht verändert, und sie schien noch immer angespannt zu sein. Lediglich die Tatsache, dass sie über ein derart heikles Thema mit solcher Bestimmtheit sprach, offenbarte ihren Schmerz in erschreckender Klarheit. Denn ihre Bestimmtheit hatte sie aus eigener Erfahrung gewonnen. Hatte sie etwa eine Beziehung zu einem ihrer Jäger gehabt? Oder zu einem Jäger aus einer anderen Triade?
Nicht, dass ich sie danach fragen wollte, denn Klatsch war nichts als reine Zeitverschwendung. Ich hatte dringlichere Probleme als Kismets Privatleben.
»Wyatt und ich schlafen nicht miteinander, falls du darauf hinauswillst.« Das war die Wahrheit, die allerdings an eine Lüge grenzte. Bevor ich zum ersten Mal gestorben war, hatten wir miteinander geschlafen. Und vorletzte Nacht hatten wir beinahe miteinander geschlafen. Aber nur beinahe.
Kismet legte den Kopf schräg und schien über meine Bemerkung nachzudenken. »Sorge dafür, dass es so bleibt, damit nicht einer von euch beiden wieder stirbt.«
Um die Unterhaltung von meinem Sexualleben wegzulenken, griff ich zu einer sarkastischen Erwiderung. »Deine Besorgnis ist wirklich allzu rührend.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Im Augenblick können wir uns keine weiteren Verluste leisten. Nach der Sache im Altmühl-Gehege haben sich unsere Reihen zu sehr gelichtet. Ein paar unserer Teams räuchern die bekannten Tummelplätze der Halbvamps aus, während andere den Kobolden auf den Leib rücken. Gleichzeitig untersuchen wir diese … diese Dinger aus dem Labor …«
Bei diesem Satz horchte ich auf. »Was untersucht ihr?«
»Die Wesen, die wir in Tovins Labor gefunden haben, erinnerst du dich? Elfen sind zwar schlau, aber laut Amalie und einigen anderen Quellen sind sie keine Gentechniker. Tovin hätte das Labor nicht alleine betreiben können, so klug war er nicht. Darum forscht Willemy nach einem möglichen Komplizen. Sobald er etwas herausfindet, lässt er es uns wissen.«
Auf den Gedanken, dass es einen Komplizen geben könnte, war ich gar nicht gekommen. Das brauchte ich nicht, denn ich war schließlich eine Jägerin. Man nannte mir ein Ziel, und ich tötete es. Die Ermittlungsfragen gehörten zum Job der Handler, nicht zu dem der Jäger. »Alleine?«, erkundigte ich mich.
Sie zog die schlanken Brauen zusammen. »Er hat nach einem Auftrag gefragt, also haben wir ihm einen gegeben. Heute Morgen hat Rhys Willemy im Gehege zwei Jäger verloren. Oder hast du etwa vergessen, dass dort sechs unserer Leute gestorben sind?«
Das hatte ich nicht vergessen. Ich hatte nur nicht danach gefragt, wer gestorben war. Mir war es wichtiger vorgekommen, mich auf die Überlebenden zu konzentrieren statt auf die Toten. Mit den Lebenden konnte ich Mitleid empfinden, denn ich kannte ihren Schmerz. Ich dachte an das vertraute, dunkle Gesicht vom Burger Palace, das noch heute Morgen über meinen Zombiescherz gelacht hatte. »Und der Jäger, der überlebt hat?«
»Der ist vorerst nicht im Dienst.«
»Ich wollte den Namen wissen.«
»David.«
Von der anderen Seite des Vorhangs waren Stimmen zu hören. Ich drehte den Kopf, und auch Kismet wandte sich um. Die Stimmen näherten sich, und mein Herz pochte aufgeregt. Dann verstummten sie, und die schlurfenden Schritte entfernten sich. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich die Luft angehalten hatte, und ich atmete aus.
»Es ist noch nicht einmal eine
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