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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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zu. Mit unschuldiger Miene erwiderte er meinen Blick. Seine Schrottkiste schien ihm kein bisschen peinlich zu sein. Ich konnte in seinen Zügen auch kein Anzeichen darauf entdecken, dass er vorhatte, mich in seinem Wagen gefangen zu halten – zu welchem verdorbenen Zweck auch immer. Offenbar hatte er einfach nur eine Tatsache verkündet. Die Beifahrertür ging wirklich nicht auf.
    Mir lagen die Worte »Dann zur Hölle mit der Karre« auf der Zunge und warteten nur auf die Erlaubnis, herausgeschleudert zu werden. Ich mochte es überhaupt nicht, mich in eine Ecke zu begeben, aus der es keinen Ausweg gab. Denn genau das bedeutete eine verklemmte Tür. Eine Falle. Allerdings waren meine Möglichkeiten, was Fortbewegungsmittel anging, enorm eingeschränkt. Ihn k.o. zu schlagen und den Wagen zu stehlen kam wohl nicht als Lösung in Frage. Bestimmt würde er mich in kürzester Zeit aufspüren, ob mit Hilfe seiner bescheuerten Engelsflügel oder ohne.
    Außerdem war es mir angesichts meines wachsenden Misstrauens ihm gegenüber nur recht, wenn ich jede seiner Bewegungen im Auge behalten konnte. Er würde mich nicht noch einmal aufs Kreuz legen.
    »Geht wenigstens das Fenster auf?«, fragte ich.
    Er blinzelte und nickte. »Ohne Probleme.«
    »Gut.«
    Er zog einen Schlüssel hervor, schloss die Tür auf und trat zurück. Ich kletterte über den Fahrersitz und fiel beinahe in den Beifahrersitz. Hier saß man sehr tief auf blauem, rissigem Leder, und es roch entfernt nach Zedernholz. Das Armaturenbrett war abgestaubt, die Fußmatte sauber, und auf dem Rücksitz lag kein Müll herum. Offenbar erstreckte sich Phins Sauberkeitsfimmel auch auf Autos und nicht nur auf die Wohnungen anderer Leute.
    Phin nahm hinter dem Steuer Platz, und ohne das leiseste Stottern sprang der Motor an. Während er ausparkte, testete ich die Fensterkurbel. Erst drehte ich das Fenster ein paar Zentimeter hinunter, dann wieder hinauf. Wenn Phin das störte, zeigte er es jedenfalls nicht. Er fuhr auf das kurze Stück Richtung Hauptstraße zurück, und wir entfernten uns vom Krankenhaus.
    Die verheilende Schusswunde an meinem Unterarm begann, wie blöd zu jucken. Ich rieb über die Verbände und hoffte, dass es nicht lange anhalten würde. Das Handy in meiner Gesäßtasche presste sich gegen meinen Hintern und erinnerte mich ständig daran, wie dringend ich auf den Anruf wartete, der mir Neuigkeiten über Wyatt brachte.
    Aber es klingelte nicht.

    »Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du zur alten Graham-Kartoffelchipsfabrik willst?«, fragte Phin.
    Ich knurrte ihn nur an.
    Ich hatte mich wirklich bemüht, mich daran zu erinnern, wo in Mercy’s Lot der Unterschlupf der Gremlins verborgen war, aber beim letzten Mal hatte ich einfach nicht gut genug aufgepasst. Nachdem wir zehn Minuten lang immer wieder dieselben drei Straßen entlanggefahren waren, hatte ich unter den vielen Fabriken, die teils aufgegeben, teils auch noch in Betrieb waren, endlich die richtige entdeckt.
    Phin lenkte den Wagen von der mäßig befahrenen Straße und stellte ihn hinter dem Gebäude ab. Nachdem er ausgestiegen war, reichte ich ihm die drei Tortenschachteln (wir wollten lieber auf Nummer sicher gehen) und kletterte ebenfalls hinaus. Den Patzer von eben machte ich wieder wett, indem ich ihn mit seinen Torten in die halb verfallene Fabrik führte. Im Grunde verließen wir die Stadt und betraten eine in sich abgeschlossene, abgeschirmte Gesellschaft.
    Wie beim letzten Mal schlug mir im sechsten Stock der Geruch vergorenen Zuckers entgegen, trieb mir die Tränen in die Augen und brannte mir in der Nase. Phin musste niesen, und obwohl er es zu unterdrücken versuchte, hallte das Geräusch in dem metallenen Treppenhaus wider.
    »Was ist das?«, flüsterte er.
    »Große Fässer voller Gremlinpisse.«
    »Du machst Witze.«
    »Schön wär’s.« Es war kein Witz. Ich hatte sie mit eigenen Augen gesehen, umgeben von tausend wuselnden Gremlins, die ihr kurzes, bedeutungsloses Leben zusammengepfercht im Dunkeln verbrachten. Nur ab und zu verließen sie ihren Unterschlupf, um jemandem einen Gefallen zu tun, Futter für ihren Nachwuchs zu beschaffen oder irgendwo in der Stadt Schaden anzurichten.
    Im achten Stock blieben wir vor einer verstärkten Feuertür stehen. Auf der anderen Seite hörte man das Tappen Dutzender kleiner Füße, die sich hastig entfernten. Ich legte das Ohr an die Tür und lauschte. Stille. Dann trat ich einen Schritt zurück und schlug mit der Handfläche ein

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