Die Rache der Jagerin
für Unterwäsche?«
Er bekam rote Wangen, und mir fiel erst einen Augenblick später auf, was ich da eigentlich gesagt hatte.
Ich schob mich an ihm vorbei, warf Kismet ein »Wir hören voneinander« zu und durchquerte die Notaufnahmestation. Bereits nach der Hälfte der Strecke hatte Phin zu mir aufgeschlossen, wobei ich ihn mehr spürte, als dass ich ihn sah. Stets bewegte er sich absolut lautlos, was ich einerseits bewunderte, andererseits aber auch verabscheute.
Niemand rief mir nach und hielt mich auf. Und die privaten Sicherheitsleute, die sich in der Notaufnahme aufhielten oder davor warteten, beachteten uns nicht. Anstatt zu den Aufzüge zu gehen, steuerte ich auf den Ausgang zu. Nichts wie raus aus diesem beschissenen Krankenhaus.
»Wo hast du den Wagen abgestellt?«, wollte ich wissen, als ich auf den Gehweg trat und die Sonne mir aufs Haupt brannte. In den Ölgestank mischte sich der Geruch des Flusses, und bei diesem Kontrast von süß und widerlich wurde mir übel.
»Da lang«, antwortete er.
Er führte mich am Haupteingang vorbei zu einer Seitenstraße, die zwischen dem Krankenhaus und dem rostigen Geländer verlief, das Fußgänger vor dem drei Meter tiefen Sturz in den Fluss bewahren sollte. Entlang der Straße reihten sich Parkplätze, die jetzt um die Mittagszeit allesamt besetzt waren. Der Gehweg auf der Flussseite war recht belebt: Menschen führten ihre Hunde Gassi, joggten oder machten in der Mittagspause einen Spaziergang.
Wir dagegen blieben auf dem schmaleren Bürgersteig, der entlang der Ziegelmauer des Krankenhauses verlief. Da hier weniger los war, eignete sich diese Straßenseite besser für diskrete Gespräche.
»Weißt du schon, wo es hingehen soll?«, fragte Phin.
Ich ging links, einen Schritt hinter ihm, und beobachtete aufmerksam sämtliche Leute in Sichtweite. »Die Gremlins haben uns bisher immer geholfen«, sagte ich. Als wir auf halber Höhe um das Krankenhaus herum waren, bog vor uns eine dürre Gestalt mit einem Schäferhund an der Leine um die Ecke. »Was, glaubst du, wäre als Bestechungsgeld angemessen, damit sie sich in das Intranet der Polizeibehörde hacken?«
»Eine vierstöckige Hochzeitstorte?«, sagte er.
»Im Ernst?«
Er drehte den Kopf ein wenig, so dass ich sein kantiges Profil besser erkennen konnte. »War ein Witz, Evangeline.«
»Evy.«
»Evy«, berichtigte er sich selbst. »Was hast du ihnen beim letzten Mal gegeben?«
»Käsekuchen mit Kirschen.«
»Und was hast du dafür von ihnen verlangt?«
»Sie sollten Chalice Frost aus dem System löschen und Sicherungskopien von ihren Daten erstellen. Die sind dann allerdings in den Aschetrümmern von Rufus’ Wohnung verlorengegangen.« Zum Glück hatten wir letzte Nacht einiges davon gelesen, sonst wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen, was Chalices früheres Leben anging.
Phin schaute geradeaus und verkrampfte die Finger. Ein eindeutiges Zeichen von Nervosität. Das Feuer. Der Fischadler, den ich kurz darauf über dem Gebäude gesichtet hatte. Ich ließ mich ein bisschen weiter zurückfallen, um diesem hervorragenden Manipulator nicht zu nahe zu sein. Die Frage erübrigte sich, ob er für den Wohnungsbrand verantwortlich war, in dem die Jägerin Nadia Stanislavski getötet und ihr Handler Rufus verletzt worden waren.
Ich brauchte nicht zu fragen, denn ich kannte die Antwort schon. Von nun an würde ich ihm kein Vertrauen mehr schenken.
Ein paar Meter, bevor wir uns begegnet wären, wechselte der Mann mit dem Schäferhund die Straßenseite. Oder vielmehr zog das kräftige Tier sein Herrchen in Richtung einer Frau, die eine schwanzlose Promenadenmischung mit zerzaustem weißem Fell spazieren führte. Während ich den Hundehaltern zusah, prallte ich gegen Phin und verspürte dabei diese seltsame Mischung aus Leichtigkeit und Kraft.
»Entschuldige«, sagte ich und wich sofort zurück.
Er warf mir einen eigentümlichen Blick zu und deutete auf eines der geparkten Autos. Es war ein zweitüriger Honda, ein neueres Kleinwagenmodell. »Das ist es.«
Ich betrachtete die blassblaue Karosserie. »Und was ist deine Geheimidentität? Ein Highschool-Abbrecher, der sich durchs Leben schlägt?«
Kichernd schüttelte er den Kopf. »Würdest du mir den liebenswerten Reporter abnehmen?«
»Nein.« Ich verließ den Gehweg und steuerte auf die Beifahrertür zu.
»Du musst auf dieser Seite einsteigen. Die Beifahrertür klemmt.«
Mit gesträubtem Nackenhaar drehte ich mich und wandte ihm langsam mein Gesicht
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