Die Rache der Jagerin
bezweckst du hiermit?«, fragte ich und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte aus Plastik. »Willst du mir zeigen, wie falsch mein Lebenswandel als Jägerin war? Mir vorhalten, wie böse ich in den letzten vier Jahren gewesen bin und was die Triaden für eine Scheißorganisation sind?«
»Eher das Letztere.«
»Und dafür musstest du mich in eine Wer-Kneipe schleifen?«
Er fuhr mit dem Finger über den Rand seines halbleeren Glases. Nach drei vollen Kreisen hielt er inne. »Jetzt machst du es schon wieder.«
»Was denn?« Meine Stimme wurde deutlich lauter, und ich bemühte mich, sie auf ein weniger auffälliges Level zu drosseln. »Um Himmels willen, Phin, hör mit deinem kryptischen Gelaber auf und sag, weshalb du mich hierhergebracht hast. Ich kann mich nicht gut in Rätseln unterhalten.«
»Vielleicht hatte ich keine Lust, in einem Sape-Restaurant zu essen. Ist dir der Gedanke mal gekommen?«
Meine Hände krampften sich zu Fäusten zusammen, die ich links und rechts von der Kaffeetasse auf die Tischplatte presste. »In einem was?«
»Du hast es erfasst.«
»Habt ihr euch was ausgesucht?«, fragte Belle, die uns unvorbereitet unterbrach.
»Einen Cheeseburger, medium, mit Pommes, aber ohne Zwiebeln«, orderte ich.
Phins linkes Auge zuckte. »Ich nehme dasselbe.«
»Okay.« Belle machte aus den zwei Silben mindestens vier, drehte sich auf dem Absatz um und stöckelte zurück in Richtung Tresen. Kaum war sie weg, war sie bereits wieder vergessen.
»Ihr Menschen habt eine Vorliebe für Etiketten«, meinte Phin. »Und trotzdem seid ihr aus der Fassung, wenn jemand den Spieß umdreht und euch mit einem Etikett versieht. Hast du tatsächlich geglaubt, dass wir Dregs keine Schimpfnamen für euch haben?«
»Ich bin ja nicht blöd«, sagte ich. »Ich habe nur noch keinen getroffen, der diese Namen in meiner Gegenwart so leichtfertig gebraucht.«
»Weil du ihn normalerweise dafür töten würdest?« Er fragte das so, als wäre es nichts Ungewöhnliches, dass ich jemanden tötete, bloß weil er mich beleidigt hatte. Als fände ich es noch nicht einmal fragwürdig.
Mistkerl. »Das ist dein Bild von mir? Eine, die tötet, weil ihr danach ist, und dabei auf die Konsequenzen pfeift?«
»Diesen Ruf hast du dir bei meinen Leuten und einigen anderen erarbeitet, Evy, du zusammen mit deinen Triaden. Ihr schafft das Gesetz und setzt es durch, ihr erlaubt uns nicht, uns selbst zu überwachen, und wenn wir das Gesetz brechen, dann tauchen die Triaden als alleinige Richter, Geschworene und Henker auf.«
»Das ist unsere Stadt, Phin. Deshalb überwachen wir deine Leute, wie es uns passt.« Ich konnte kaum glauben, dass ich noch hier saß und ihm zuhörte, wie er mich davon zu überzeugen versuchte, was die Menschen beim Schutz ihrer Stadt und der halben Million Menschen, die dort lebten, falsch machten. Doch obwohl ich es nicht glauben konnte, stand ich nicht auf, um zu gehen. Denn zu gehen bedeutete, in einem Wortgefecht zu verlieren.
Phin kniff die Augen zusammen. »Dann sei nicht überrascht, wenn sich andere eurer Herrschaft widersetzen.«
In meinen Ohren pochte der Pulsschlag. Ich beugte mich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und fixierte ihn. In seinen Augen sah ich das Spiegelbild meiner eigenen Wut. »Wenn du etwas über das Treffen morgen Abend in Park Place weißt, dann rück besser jetzt damit heraus, bevor sie dein Blut vom Boden aufwischen müssen.«
Er schnaubte lachend. »Und ich dachte, wir würden uns allmählich verstehen. Das habe ich nicht gemeint. Nicht einmal ansatzweise.«
»Was dann? Willst du dich den Triaden anschließen?«
»Wäre das unvernünftig?«
Zum zweiten Mal innerhalb von zehn Minuten klappte mir der Unterkiefer herunter. Ich suchte in seinen Zügen nach einem Hinweis darauf, dass er seine Frage scherzhaft oder ironisch gemeint haben könnte, doch davon war nichts zu sehen. Immer nur derselbe verbissene Ernst und die Aufmerksamkeit, die ich heute Morgen schon bei unserer ersten Begegnung wahrgenommen hatte. Mein Gott, das schien bereits eine Ewigkeit her zu sein.
»Im Ernst?«, fragte ich.
»Du klingst so überrascht. Ihr beschäftigt Begabte sowohl als Jäger als auch als Handler. Warum nicht auch Therianer?«
»Therianer?«
»Therianthropen, um genau zu sein. Die Clans, Evy. So bezeichnen wir uns selbst, und ich persönlich finde den Begriff ›Werwesen‹ ein wenig beleidigend, wenn man bedenkt, wie die Menschen mit ihm umgegangen sind. Ich bin kein Wolf und
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