Die Rache der Jagerin
ich herausfinden, was der Schwarzhut vorhatte.
Das Restaurant durch den Vordereingang zu verlassen hätte zu viel Verdacht erregt, auch wenn sich die meisten Gäste wieder ihren Mahlzeiten widmeten. Phin ließ mein Handgelenk los. Mir schwirrte der Kopf, und ich ließ mich gegen die Lehne sinken. Irgendwie musste ich hinausgelangen. »Wie weit reicht der Bann um das Restaurant?«, fragte ich.
»Bin mir nicht sicher«, erwiderte Phin. »Vielleicht dreißig Zentimeter weit von der Außenwand. Wieso?«
Weil das bedeutete, dass Schwarzhut sein Verkaufsgespräch vor aller Augen abhalten würde. Vor jedem, der an ihm vorbeispazierte. Vor mir zum Beispiel. »Ich bin gleich zurück.« Ich schlüpfte aus unserem Separee und stand auf.
»Wo gehst du hin?«
»Für kleine Mädchen.«
Sein Blick sagte deutlich, dass er mir nicht glaubte. Er wollte schon aufstehen, doch als ich tatsächlich in Richtung Toilette davonging, blieb er sitzen. Während Belle uns an unseren Tisch geführt hatte, war mir das Toilettenschild ins Auge gefallen. Auf halbem Weg zum Tresen ging ein kleiner Flur ab. Auf der Tür stand »Mädels«, und während ich sie aufdrückte, fiel mir auf, dass auf der anderen »Jungs« stand. Ich schlüpfte hinein.
Es gab zwei Kabinen, ein Porzellanwaschbecken, Papierhandtücher und rosafarbene Handseife. Alles ganz schlicht und zweckmäßig. Jetzt galt es, mich zusammenzureißen und zu Phins Auto zu teleportieren. Das war nicht einfach. Schließlich konnte ich nicht sehen, ob jemand in der Nähe des Wagens stand oder gar dort, wo ich mich materialisieren würde. Bei der Vorstellung, mich in jemand anderen hineinzuteleportieren, krampfte sich mir der Magen zusammen.
In dem Moment schwang die Tür auf. Ich trat zur Seite, um nicht von ihr getroffen zu werden. Phin huschte herein, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
»Was zum Teufel machst du hier, Phin?«, quäkte ich. »Willst du mir etwa beim Pinkeln zuschauen?«
»Das nicht, aber ich dachte, es ist besser, wenn ich mitkomme.«
»Falls du auch musst, die Herrentoilette ist nebenan.«
»Ich meinte, dass ich mitkomme, wenn du da hinausgehst und die glühende Anhängerin spielst. Nimm’s mir nicht übel, Evy, aber der Typ, um den es da geht, ist Therianer oder Schlimmeres. Noch bevor du ein Wort sagst, riecht er, dass du ein Mensch bist.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Danke für das Vertrauen, das du in mich setzt.«
»Damit hat das nichts zu tun. Ich will nur nicht, dass du diesen Kerl unterschätzt, der hier Gefolgsleute rekrutiert hat.«
»Einen Dreg zu unterschätzen hat mich schon einmal das Leben gekostet. Diesen Fehler werde ich nicht wiederholen.« Voller Absicht hatte ich den Begriff »Dreg« benutzt, doch Phin war so sehr darauf konzentriert, mich nicht gehen zu lassen, dass es an ihm abprallte. Als ob ich seine Erlaubnis nötig hätte. »Und? Hast du einen Plan, oder was?«
»Meine Leute kennen den Namen Evy Stone, aber deine neue Gestalt ist ihnen unbekannt«, sagte Phin. »Kannst du für eine Weile Chalice spielen?«
Ich nickte. »Und wen spielst du?«
»Den betrogenen Clanältesten, der überzeugt ist, dass die Triaden alles versuchen werden, damit sie einen der Ihren nicht ausliefern und seiner verdienten Strafe zukommen lassen müssen.«
Das sagte er ohne eine Spur von Ironie, sondern so ernst, dass ich ihn eine Sekunde lang nur anglotzte. Dann lächelte er, und seine Augen strahlten. Da entspannte ich mich. Ein wenig.
»Lass mich raten«, meinte ich. »Ich bin deine Freundin, die für ihren bezaubernden Coni-Liebhaber alles tut, weil sie so vernarrt in ihn ist?«
»Hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Lass uns gehen.«
Er drehte sich um und langte nach dem Griff, doch ich drückte mit der flachen Hand gegen die Tür. Stirnrunzelnd sah er mich an.
»Durch die Vordertür ist es zu offensichtlich«, gab ich zu bedenken. »Wir sollten nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen, indem wir so auffällig abhauen, bevor unser Essen fertig ist.«
»Glaubst du, Belle merkt nicht, dass wir nicht von der Toilette zurückkommen?«
»Das ist mir egal.«
»Und was schlägst du vor? Soll ich uns durch die Decke hinausfliegen?«
»Jetzt ist es an der Zeit, dass du mir vertraust.«
»Hat das etwas damit zu tun, dass du heute Morgen plötzlich in einem anderen Zimmer warst?«
Dass Phin aus Versehen Zeuge meiner Teleportation geworden war, hatte ich vergessen. Aber was konnte es schon schaden,
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