Die Rache der Jagerin
verwandle mich nicht bei Vollmond. Ich bin Therianer. Und darüber hinaus bin ich Repräsentant des Coni-Clans in der Zusammenkunft.«
Ich war sprachlos und zwang mich, nicht durch irgendwelche Bewegungen durchblicken zu lassen, was ich dachte oder fühlte. Denn in meinem Innern brodelte ein Gemisch aus Verwirrung, Hilflosigkeit und Wut, das kurz davor war, sich in einem Gewittersturm zu entladen. Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, doch ich blinzelte sie nicht weg, und meine Brust tat weh, weil ich die Luft anhielt.
Anstatt loszukreischen, beherrschte ich mich gerade noch und sagte beinahe flüsternd: »Was? Zur Hölle. Willst du? Von mir.«
Sein kantiges Gesicht wirkte auf einmal weniger streng, und er öffnete den Mund. Aber er kam nicht dazu, etwas zu sagen, da am andern Ende des Restaurants ein Tumult ausbrach. Sofort stützte ich mich auf dem Tisch ab und richtete mich zur Hälfte auf, um an den Köpfen der anderen Gäste, die ebenfalls aufsprangen, vorbeizusehen. Auch Phin rutschte auf seinem Platz neugierig hin und her.
»Halte deine Reden draußen!«, rief Belle, und ihre Stimme übertönte die gedämpften Unterhaltungen und das Zischen der Bratplatten. »Das interessiert hier keinen.«
»Und warum hängen sie dann an meinen Lippen?«, fragte eine kräftige, satte Männerstimme. Erkennen konnte ich den Sprecher allerdings nicht. »Weil es sie nicht interessiert?«
»Wenn sie dir zuhören wollen, dann sollen sie dir draußen zuhören«, erwiderte Belle.
Jemand trat zur Seite, und endlich konnte ich einen Blick auf Belle erhaschen, die mit in die Hüften gestemmten Armen neben dem Tresen stand. Die Sicht auf ihr Gegenüber war mir immer noch verstellt, aber da sie den Kopf hob, ging ich davon aus, dass der Mann sie überragte. Und offenbar ließ er sich von der Werkatze auch nicht einschüchtern, denn diese verlagerte unruhig das Gewicht.
»Willst du einen deiner eigenen Leute rausschmeißen?«, fragte der Mann.
Belle nickte. »Und zwar mit dem größten Vergnügen.«
Ein gedrungener Mann mit einer Baseballkappe erhob sich von seinem Tisch, an dem außer ihm eine Frau und zwei kleine Kinder vor ihren Eisbechern saßen. Er drehte die Mütze so, dass ihr Schild nach hinten zeigte, und stellte sich neben Belle, so dass ich nicht mehr ganz so viel erkennen konnte. »Gibt’s ein Problem, Belle?«, fragte Baseballkappe.
»Wir unterhalten uns nur«, antwortete der Unruhestifter. »Seit wann ist das in dieser Stadt ein Verbrechen? Verfolgen wir nun schon die eigenen Leute wegen angeblicher Vergehen? Haben wir dafür nicht die Triaden?«
Ich kochte, und Phin packte mich beim Handgelenk, sonst hätte ich mich in die Schlacht gestürzt. Stattdessen konzentrierte ich mich auf Phins warme Haut, auf den festen und zugleich leichten Griff, der mich davon abhielt, jemandem – Phin inbegriffen – ins Gesicht zu springen.
Mittlerweile waren alle Unterhaltungen im Restaurant zum Erliegen gekommen, da nun selbst diejenigen, die bisher keine Notiz von dem Ganzen genommen hatten, die Köpfe umwandten. Irgendwo knurrte jemand, und lediglich die beiden Blutsauger am anderen Ende des Tresens kümmerten sich nicht um den Streit. Die Angelegenheiten der Werwesen – falsch, der Therianer – interessierten sie wohl nicht.
»Schau«, sagte Belle, »mir ist völlig egal, was du verkaufst. Aber das ist ein Restaurant und kein Podium. Troll dich, raus auf die Straße.«
»Das werde ich tun, nachdem du freundlicherweise dafür gesorgt hast, dass ich die Aufmerksamkeit aller Gäste habe. Jeder, der mehr hören will, kann mich an der Ecke bei der grünen Bank finden.«
Einige der Gäste traten zur Seite, um einen Mann mit einem schwarzen Filzhut durchzulassen, der auf die Eingangstür zuschritt. Sein Abschied wurde vom Klingeln der Tür begleitet. Gleich darauf zählten zwei Teenager ein paar Münzen auf den Tresen und eilten ihm hinterher. Der falsche Prophet hatte bereits zwei eifrige Anhänger gefunden.
Nach ihrem äußerst wechselhaften Verhalten mir gegenüber während der letzten Woche hegte ich für die Triaden keine besondere Sympathie – erst hatten sie ohne Beweise meiner Schuld den Befehl ausgegeben, mich zu töten. Und nachdem ich meine Unschuld bewiesen hatte, hatten sie mich plötzlich wieder mit offenen Armen empfangen. Doch letztlich waren die Triaden dazu da, die Menschheit zu beschützen. Ob sie nun richtig handelten oder nicht, hier wurde ein koordinierter Angriff auf sie geplant. Darum musste
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