Die Rache der Liebe
oder aber, falls sein Bedauern über die Liebesnacht offensichtlich wäre, gar nichts sagen. Das wäre dann das Ende, und der heutige Tag würde sich in nichts vom gestrigen unterscheiden, als sie der Meinung gewesen war, er würde sich mit Lida vergnügen, und ihn dafür am liebsten eigenhändig erwürgt hätte.
Sie wartete, bis Turgeis sein Mahl beendet hatte, da sie wußte, dass er ihr nach draußen folgen würde. Selig war mühelos aufzufinden; er arbeitete nicht mit dem Rest der Männer am Wall, sondern war zusammen mit dem von Royce geliehenen Baumeister am Tor beschäftigt, das im Durchgang zum Innenhof errichtet werden sollte. Und da war noch jemand, der eifrig mithalf - wenn man das, was Lida machte, als Hilfe bezeichnen wollte.
Selig, der gebeugt über dem Rahmen des Tors stand und mit dem Hammer kräftig ins Holz schlug, schien der Frau keine Beachtung zu schenken - doch das war im Grunde unmöglich. Lida beugte sich über ihn, besser gesagt, presste ihre Hüften gegen sein Hinterteil und bog ihren Oberkörper zurück, um mit den Händen seine Schultern zu erreichen, die sie offenbar massierte. Für Erika sah es jedenfalls eindeutig so aus, als würde Lida Selig mit ihrem Körper und ihren Händen liebkosen.
Hätte sie eine solche Szene gestern beobachtet, hätte sie einfach auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre in die Halle zurückgegangen. Sie hätte ihre Gefühle für sich behalten, selbst wenn sie daran erstickt wäre. Aber nach der letzten Nacht konnte sie das nicht mehr gelassen hinnehmen. Einzig um ihre Abwehr zu brechen, hatte dieser Mann sie belogen. Eine Frau war ihm nicht genug - auch ein Dutzend würde ihm nicht ausreichen. Und aus plumper männlicher Eitelkeit heraus muss te er seine Ehefrau ebenfalls in Besitz nehmen und war dafür auch nicht vor einer Lüge zurückgeschreckt.
Erika konnte sich nicht länger beherrschen. Sie kreischte so laut sie konnte, worauf alle ihre Arbeit unterbrachen und sich ihr zuwandten. Dann hob sie ihre Röcke und stürmte in die Halle, nicht etwa, um sich zurückzuziehen, sondern um nach einer geeigneten Waffe Ausschau zu halten. Sie würde diesen Mistkerl von Ehemann kastrieren und anschließend seine Buhle an den Haaren auf dem Dachbalken festnageln.
»Erika!«
Sie blieb nicht stehen, obwohl es klang, als habe Selig ihre Verfolgung aufgenommen. Gleich darauf merkte sie, dass er tatsächlich hinter ihr herrannte, denn als er sie nun abermals rief, war seine Stimme schon viel näher. Obwohl sie die Halle bereits erreicht hatte, wußte sie doch, dass sie es nie bis nach oben, in Turgeis' Zimmer, wo sich dessen Waffen befanden, schaffen würde. Warum hatte dieser Kerl auch so verdammt lange Beine? Sie brauchte unbedingt eine Waffe, aber in der ganzen Halle lag nichts herum, was für ihre Zwecke geeignet gewesen wäre. Sämtliche Tische waren bereits abgeräumt, außer dem einen, an dem sie und Turgeis gespeist hatten.
Also rannte sie nun um diesen Tisch herum, packte, was immer ihr in die Hände kam, und schleuderte es in Seligs Richtung: Holzschalen mit Resten von Hafergrütze, einen Klumpen Brot mit Käse, Löffel, das Salzfässchen - alles flog auf Seligs Kopf zu. Hätte sie die Bank anheben können, hätte sie auch diese noch nach ihm geworfen.
Den meisten Objekten konnte Selig ausweichen, nur nicht dem Salz, das sich in graubraunen Kristallen über ihn ergoss und sich auf das beste mit den Spritzern von Hafergrütze auf seiner Wange vereinte. Er sah überaus komisch aus, doch Erika war zu wütend, um das zu bemerken. Seine Miene drückte absolute Fassungslosigkeit aus. Er hielt sie zweifelsohne für wahnsinnig.
Und das sagte, vielmehr brüllte er auch: »Du bist wahnsinnig, Weib! «
»Findest du? « kreischte sie zurück.
Sie schaute sich nach einem weiteren Gegenstand um, den sie werfen könnte. Doch ehe sie etwas entdeckt hatte, war er auch schon mit einem Satz über den Tisch gesprungen und begann sie zu schütteln. Durch die Bewegungen fiel etwas Salz von seinen Schultern herab, doch das meiste blieb weiterhin an ihm kleben.
Plötzlich ertönte neben ihnen ein tiefes Grollen. »Nicht schütteln!«
Beide wandten sich um und fanden Turgeis vor. Er hatte die Arme verschränkt, und seine Miene drückte tödliche Entschlossenheit aus.
»Hast du gesehen, was sie mit mir gemacht hat?« herrschte Selig ihn an.
Es war nicht zu übersehen, aber Turgeis blieb ungerührt. »Nicht schütteln! « wiederholte er drohend.
Selig stieß ein wütendes Knurren
Weitere Kostenlose Bücher