Die Rache der Liebe
Erika nicht wegreiten.«
»Dann befinden wir uns im Belagerungszustand, während gleichzeitig der König von Wessex in unseren Mauern weilt?«
»Gütiger Gott!« stöhnte sie. »Den hatte ich ganz vergessen!«
28
Es war Kristen überlassen, der restlichen Familie alles, was am Festungswall vorgefallen war, zu berichten, da Royce nur einen Teil mitbekommen hatte. Unglücklicherweise hörte auch König Alfred mit. Andererseits hätte man ihn gar nicht ausschließen können, denn aufgrund der schlichten Tatsache, dass er Wyndhurst erst verlassen konnte, wenn die leidige Angelegenheit geklärt wäre, war er genauso in die Geschichte verwickelt wie alle anderen.
Alfred hielt sich größtenteils aus den Diskussionen, wie man weiterhin vorgehen sollte, heraus. Es standen nur wenige Möglichkeiten zur Auswahl, zumal sich Selig strikt gegen die einfachste und augenfälligste Lösung aussprach, und zwar so heftig, dass er wutentbrannt aufstand und davonstapfte.
Seine letzten Worte zu diesem Thema lauteten: »Ich werde mich jeder getroffenen Entscheidung beugen, solange damit nicht der Verlust meiner Gefangenen verbunden ist. Ich bin sogar bereit, gegen den Riesen Turgeis zu kämpfen statt gegen den Bruder.«
Niemand war freilich willens, den Dänen diesen Vorschlag anzubieten. Wäre nicht auch Alfreds Bewegungsfreiheit dadurch eingeschränkt gewesen, hätte man die Belagerung einfach durchstehen können. Die Männer befürworteten kriegerische Maßnahmen, die Frauen friedliche. Niemandem kam es indes in den Sinn, Erikas Leben als Druckmittel einzusetzen, wohl auch deshalb, weil sie nicht wussten , wie Ragnar darauf reagieren würde. Zu guter Letzt war es Alfred, der die simpelste Lösung vorschlug, eine Lösung, an die Seligs Familie nicht einmal im Traum gedacht hätte. Und sie wurde denn auch mit ziemlicher Skepsis aufgenommen. Royce lachte nur.
Garrick räusperte sich und meinte: »Ich wünsche mir das für meinen Sohn eigentlich nicht, obwohl sein Beharren, das Mädchen zu behalten, bar jeder Vernunft ist.«
»Das hat sowieso keinen Sinn«, bemerkte K risten. »Selig wird dem Vorschlag nie zustimmen. Eher würde er hinausgehen und sich töten lassen. Und wer soll es ihm überhaupt mitteilen?«
»Das kann ich tun«, bot sich Royce an.
Kristen schnaubte. »Du bekamst doch vor Lachen kein Wort heraus! «
»Nay, er wird so wütend werden, dass mir das Lachen bestimmt vergehen wird - falls er mich nicht vorher seine Faust schmecken lässt !« Wieder konnte Royce vor Lachen kaum an sich halten.
Grimmig funkelte Kristen ihn an. »Hättest du vielleicht die Güte, mir zu erklären, was daran so komisch sein soll?«
»Die Ironie des Ganzen«, stieß er prustend hervor, »diese unglaubliche Ironie! «
Brenna hatte sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet. Nun beugte sich Garrick zu ihr und fragte leise: »Warum raufst du dir nicht das Haar und wütest und tobst?«
Brenna zuckte die Achseln. »Weil ich glaube, dass es ihm nicht allzuviel ausmachen wird - letztendlich. «
Fragend schaute Garrick seine Frau an. »Verschweigst du mir etwas, das ich wissen sollte?«
In dem Blick, den sie ihm schenkte, lag reine Unschuld. »Ich weiß nicht mehr als du. Er behauptet, sie zu verabscheuen, und dennoch zieht sie ihn an. Hatten nicht unsere Tochter und unser Schwiegersohn einst dieselbe Schwierigkeit?«
»Die Umstände waren damals völlig andere, mein Herz. Royce war nicht auf Rache versessen.«
»Und Selig hat eine merkwürdige Art, die seine in die Tat umzusetzen« antwortete Brenna trocken.
Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Dein Hang zur Romantik geht mit dir durch, mein Herz, wenn du Seligs ungewöhnlichem Benehmen gleich eine tiefere Bedeutung beimessen willst.«
»Findest du? Sicher, Selig wird allein schon durch den bloßen Vorschlag außer sich geraten, aber warte ab, wie lange sein Protest andauern wird.«
»Glaubst du denn nicht, dass er sich dadurch gezwungen sehen wird, sie freizulassen?«
» Lass es mich mal so sagen: Ich wäre überrascht, wenn das passieren würde.«
Garrick war sich da nicht so sicher, doch er schlug nun vor, dass sie alle zusammen Selig suchen und ihm Alfreds Vorschlag unterbreiten sollten, da es gemeinsamer Anstrengungen bedurfte, gegen seine Sturheit anzureden, ganz unabhängig davon, wie er sich letztlich entscheiden würde. Und ihm standen nach wie vor zwei Möglichkeiten offen.
Der Witz bei der Sache, worüber Royce sich so amüsiert hatte, war der, dass Selig sich zwar
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