Die Rache der Liebe
einige Zeit dauern. Du kannst ebenso gut zurückkehren und ... «
»Ich werde jetzt gegen ihn kämpfen!« ertönte hinter Kristen plötzlich Seligs Stimme.
Kristen wirbelte herum, um ihn daran zu hindern, die letzten Stufen zu der Plattform emporzusteigen. Im stillen verfluchte sie denjenigen, wer immer es sein mochte, der ihn über die Ankunft der Dänen informiert hatte. Sie redete nicht lange um den heißen Brei herum. »Bist du wieder im vollen Besitz deiner Kräfte?«
»Genug, um ... «
»Also nicht ganz. Und erzähl mir jetzt nicht, deine Kopfschmerzen seien plötzlich verschwunden, weil ich es besser weiß.«
»Darum geht es jetzt nicht«, beharrte Selig.
»Aye, es ist dein Recht zu kämpfen. Aber du wirst die Herausforderung nicht annehmen, es sei denn, er erklärt sich bereit, bis zu deiner Genesung zu warten!«
Selig verstand ihre Sorge, und er liebte sie dafür, doch in diese Sache konnte sie sich nicht einmischen. »Kris, hier geht es um ihn und mich, also geh zur Seite. «
Da sie seiner Aufforderung nicht folgte, zog er sie an ihrer Hand zu sich herunter, stemmte sie über die Schulter und erklomm mit ihr die letzten Stufen. Auf der Plattform angekommen, setzte er sie wieder ab, drehte sich dann um und schaute zu den Dänen hinunter. Als sein Blick auf Ragnar Haraldsson fiel, begann er laut zu fluchen.
Auch Ragnar hatte Selig entdeckt und brüllte zu ihm hinauf: »Du?«
Selig wandte den Dänen den Rücken zu und schaute zur Halle hinüber. Noch immer leise vor sich hinfluchend, ließ er den Blick schweifen und bemerkte plötzlich, dass Erika am Fenster seines Gemachs stand und von dort auf das Heer hinabschaute, das eigens zu ihrer Befreiung gekommen war. Hätte er sie doch nur, wie sonst, an die Wand gekettet!
»Es klingt, als würde er dich kennen«, bemerkte Royce neben ihm.
Seligs Stimme war rauh vor Wut. »Er kennt mich in der Tat. Er ist der Däne, der mir damals das Leben gerettet hat; er hat mich irrtümlich für einen aus der dänischen Horde gehalten, die deine Angelsachsen dann vertrieben haben.«
»Ich kann mich noch entsinnen, wie amüsiert du hinterher gewesen bist - und wie dankbar«, erwiderte Royce und fügte hinzu, was sowohl er als auch Kristen dachten: »Wenn du bei diesem Mann in der Schuld stehst, dann kannst du diese begleichen, indem du ihm seine Schwester zurückgibst.«
»Nay!« rief Selig heftig, während er wieder nach unten stieg. »Ich stehe bei ihm in der Schuld, nicht bei ihr. Und ich werde mich bei ihm revanchieren, indem ich nicht gegen ihn kämpfe.« Erneut stieß er einen Schwall Flüche aus. »Bei den Zähnen von Thor, wieso muss ausgerechnet er ihr Bruder sein!«
»Wunderbar«, murmelte Royce. Er drehte sich zu seiner Gemahlin um, die ihrem Bruder entgeistert nachschaute und offenbar über diese Ironie des Schicksals völlig fassungslos war. »Dann haben wir jetzt erstmals eine Pause.«
»Wer weiß?« erwiderte sie und beugte sich über die Brüstung, um dem wartenden Ragnar etwas zuzurufen. »Selig ist ebenso überrascht, wie du es sein muss t, Lord Ragnar, dass sich eure Wege auf diese Weise wieder kreuzen. Er weiß, dass er bei dir in der Schuld steht, und aus diesem Grund wird er nicht gegen dich kämpfen.«
»Ein Betrüger schuldet mir nichts!« entgegnete Ragnar wütend. »Niemals hätte ich ihm geholfen, wenn mir klar gewesen wäre, dass er ein Feind ist. Entweder nimmt er jetzt meine Herausforderung an, oder er gibt mir meine Schwester zurück!«
Kristen war gezwungen, ihm eine Antwort zu geben, die ihr überaus unangenehm war. Sie und ihre Familie hatten allen Grund, diesem Mann dankbar zu sein, gleichgültig, ob er diesen Dank nun annahm oder nicht. Und dies war keine Art, seinen Dank zu bezeugen. Sie verspürte den starken Wunsch, ihrem lieben Bruder einen kräftigen Tritt zu verpassen.
»Es tut mir leid«, sagte sie schließlich wahrheitsgemäß. »Er will sie noch behalten - vorläufig zumindest.«
»Ohne sie werde ich mich nicht von hier fortbewegen! Du willst eine Belagerung - bitte, du sollst sie haben!« Mit diesen Worten riss er sein Pferd herum und ritt zu seinen Männern zurück.
Verdrießlich wandte sich Kristen an ihren Gatten. »Hast du bemerkt? Er ist fortgeritten, ehe ich selbst ein paar Drohungen loslassen konnte!«
Stirnrunzelnd musterte Royce sie. »Was für Drohungen?«
Sie seufzte. »Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«
»Und womit droht er?«
»Du hattest recht, wir haben eine kleine Atempause. Er wird ohne
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