Die Rache der Liebe
Herz brach, weil er so aufrichtig besorgt um sie war.
Sie setzte sich mit ihm auf eine der Kirchenbänke, nahm seine Hände in die ihren und sagte mit aller Überzeugungskraft, die sie aufbringen konnte: » I ch wurde nicht gezwungen.«
»Erika ... «
»Nay, lass mich ausreden. Meiner Entscheidung liegen viele Überlegungen zugrunde, auch jene, dass du dir durch meine Heirat starke Bündnispartner erhofft hast, und diese Verwandtschaft ist in der Tat machtvoll. Der Bruder meines Gatten ist ein Lord und zudem ein Freund des angelsächsischen Königs. Sein Vater ist ein reicher Handelsfürst. Sein Onkel ist ein mächtiger Jarl in Norwegen, und er selbst hat viele Männer unter sich, jeder einzelne ein echter Wikingerkrieger. Für ein Bündnis hättest du dir nichts Besseres wünschen können, Bruder.«
»Aber ich hätte dich dafür nie geopfert!«
»Das weiß ich, Ragnar, und ich habe auch nicht das Gefühl, mich geopfert zu haben. Wäre ich nicht willens gewesen, den Mann zu heiraten, hätte ich es nicht getan.«
Süße Freya, wieso klang das so aufrichtig? Und warum glaubte er ihr nicht, sondern musterte sie weiterhin mit skeptischen Blicken? Gleich darauf erfuhr sie die Antwort.
»Turgeis hat mir alles berichtet. Dieser Mann hat dich mitgenommen, um dich zu quälen.«
»Aber das hat er nie getan, und ich ... « Sie senkte den Kopf, in der Hoffnung, er würde dies als Geste der Verlegenheit deuten. »Ich habe im Laufe der Zeit Gefallen an ihm gefunden«, schloss sie leise.
»Wieso?«
Seine direkte Frage brachte sie etwas aus dem Konzept. Beinahe hätte sie gelacht, grinste statt dessen aber nur. Eine Frau hätte diese Frage nie gestellt.
Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Bist du ihm nicht begegnet?«
»Begegnet?« knurrte Ragnar. »Ich habe ihm im letzten Krieg sein erbärmliches Leben gerettet!«
Ungläubig starrte sie ihn an. »Wie ist das möglich? Hat er auf Seiten der Dänen gekämpft?«
»Nay, bei den Angelsachsen«, berichtete Ragnar voller Abscheu. »Er trug einen Helm, und aus seinem Mund kam Dänisch. Und so habe ich ihn fälschlicherweise für einen der Unseren gehalten. Als ich ihn dann vom Schlachtfeld zog und seine Wunden verband, entdeckte ich natürlich sein schwarzes Haar, hielt ihn aber dennoch weiterhin für einen Dänen. Und er ließ mich in dem Glauben. Erst als ich ihn gestern wiedersah, wurde mir mein schrecklicher Irrtum bewußt. «
Gestern. Demnach hatte Selig schon gestern erfahren, dass ihr Bruder jener Mann war, dem er sein Leben verdankte. Und trotzdem hatte er ihn bedroht. War auch das nur ein Bluff gewesen?
Es lag ihr schon auf der Zunge, Ragnar alles zu erzählen, als ihr plötzlich einfiel, dass sich mittlerweile die Situation, auch wenn gestern alles ein Bluff gewesen sein sollte, dramatisch verändert hatte. Denn es war ein himmelweiter Unterschied, ob man eine Gefangene freiließ oder eine Ehefrau. Wenn ihr Bruder auf einem Kampf bestünde - und das würde er, wenn er die Wahrheit wüsste -, würde sich Selig darauf einlassen. So unangenehm es Erika auch war, muss te sie sich doch eingestehen, dass Ragnar trotz seiner stattlichen Größe von sechs Fuß immer noch bedeutend kleiner war als der andere Mann. Ein Zweikampf zwischen Ragnar und Selig wäre wie ein Kampf zwischen Selig und Turgeis. Und wie das enden würde, lag auf der Hand. Es half nichts: Erika muss te weiterlügen.
Ragnar nahm ihr Kinn und drehte es zu sich, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Was hat meine Begegnung mit ihm damit zu tun, dass er dir gefällt, Erika?«
»Du muss t doch zugeben, dass er ein sehr gutaussehender Mann ist. Wenn er in meiner Nähe ist, fällt es mir schwer, ihn nicht anzuschauen.« Das zumindest war die reine Wahrheit, und deshalb verfärbten sich vermutlich ihre Wangen, als sie hinzufügte: »Er hat eine sehr starke Anziehungskraft.« Denn auch dies war leider, leider die Wahrheit.
»Willst du damit sagen, du hast den Mann nur wegen seines attraktiven Äußeren geheiratet?«
Es miss fiel Erika ungemein, sich in die Schar jener oberflächlichen Menschen einzureihen, denen einzig das Äußere am Herzen lag, aber Ragnar würde das vielleicht noch am ehesten als Grund für ihre plötzliche »Zuneigung« akzeptieren. So be schloss sie, diesen Punkt noch etwas mehr zu betonen, was in Anbetracht von Seligs unbestreitbarer Attraktivität auch nicht allzu schwierig war.
»Er ist nun mal ein sehr faszinierender Mann. Ich habe diese Anziehungskraft bereits
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