Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Stirn gezogen hatte, so dass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Ein junger Bursche offensichtlich, der Gestalt und den Bewegungen nach, aber der Weinhändler hörte auf, zu spekulieren. Er war im Weingeschäft, damit kannte er sich aus, und das sollte auch so bleiben. Alles andere ging ihn nichts an. Und wenn diese Geschichte, in die er da hineingeraten war, etwas mit hoher Politik zu tun hatte – wovon angesichts des Hoftages auszugehen war –, erschien es ihm sowieso ratsam, sich aus allem herauszuhalten.
Schließlich hielt er an und wartete, bis die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten, dann leuchtete er weiter in den Gang hinein, der allmählich niedriger wurde, so dass man gebückt weitergehen musste. Von der Decke tropfte es, die Wände waren nass.
»Ihr könnt jetzt ohne mich weitergehen«, sagte Bechthold. »Passt auf Eure Köpfe auf. Nach ungefähr zweihundert Fuß kommt Geröll, ein Teil der Decke ist eingestürzt. Ihr müsst darüber kriechen, es wird sehr eng. Aber danach landet Ihr im Hauptgang. Haltet Euch links.«
»Von da an kennen wir uns aus«, versicherte ihm die Medica. »Habt Dank für Eure Hilfe.«
Sie ging schon voraus, der Junge mit der Kapuze folgte ihr. Er hatte die ganze Zeit kein Wort gesprochen, und irgendwie konnte Bechthold sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sein Gesicht absichtlich vor ihm verborgen hielt.
Chassim reichte Bechthold die Hand. »Was erzählt Ihr jetzt Eurer Frau?«
»Das muss ich mir noch gut überlegen«, antwortete er. »Aber egal, was ich sage, sie wird mir sowieso nicht glauben.«
»Ist das so in der Ehe?«, fragte Chassim.
Bechthold zuckte mit den Schultern. »Sie merkt es sofort, wenn ich sie anlüge.«
»Dann sagt die Wahrheit, aber verpflichtet sie zum Stillschweigen. Wenigstens für ein paar Tage. Dann ist entweder alles verloren, oder niemand interessiert sich mehr dafür.«
Mit dieser kryptischen Bemerkung ließ Chassim Bechthold zurück und beeilte sich, die Medica und ihren Begleiter einzuholen, die schon aus dem Blickfeld verschwunden waren. Nur der Lichtschein der Fackel flackerte noch an den Wänden.
Bechthold machte sich auf den Rückweg und zerbrach sich den Kopf darüber, was er seiner Frau erzählen sollte, die sich sicher schon Sorgen machte, wo er so lange blieb. Aber egal, wie er es drehte und wendete, ihm fiel nichts Plausibles ein. Vielleicht blieb er tatsächlich am besten bei der Wahrheit. Aber wahrscheinlich würde seine Frau ihm die auch nicht glauben. Er seufzte. Es war nicht einfach, mit einer klugen Frau verheiratet zu sein.
VIII
D er Erzbischof kniete in der düsteren Burgkapelle auf Landskron vor dem Altar und betete. Er bevorzugte es, vor dem ersten Hahnenschrei seine Zwiesprache mit Gott abzuhalten. Nicht dass er ihn etwa anflehte, ihm beizustehen, die verhassten Staufer zu stürzen oder seine persönlichen Feinde wie die Medica zu vernichten. Für diese irdischen Niederungen war er, der Erzbischof, selbst zuständig. Schließlich war er das Werkzeug, das im Auftrag seines Herrn dessen Willen verwirklichte, und da musste er schon selbst Hand anlegen. Er betete um genügend Kraft und um ausreichend Zeit für all die Aufgaben, die Gott ihm aufgetragen hatte. Kraft, um Rückschläge in umso glorreichere Siege zu verwandeln, und irdische Lebenszeit, um seine langfristigen Ziele politischer und profaner Natur, wie den Bau seiner Kathedrale, noch mitzuerleben und gestalten zu können. So etwas wie Furcht kannte Konrad von Hochstaden nicht, bis auf eine einzige Ausnahme. Das war die Begrenzung seiner Lebenszeit. Für die Durchsetzung und endgültige Verwirklichung seiner Pläne hätte er eigentlich drei Menschenleben gebraucht, mindestens. Er wandte sein Antlitz hoch zum Kruzifix, schloss die Augen und fühlte, wie der Odem des Herrn ihn mit Energie erfüllte für die schweren Aufgaben, die ihm auf Burg Landskron bevorstanden. Die ersten diplomatischen Begegnungen mit Graf Georg von Landskron und den anwesenden hohen Fürsten des Reichs hatte er routiniert absolviert, jedes Wort sorgfältig abgewogen und auf die Goldwaage gelegt, eine anstrengende Tortur, die er aber raffiniert hinter sich gebracht hatte. Doch das war alles nur Vorgeplänkel. Erst mit der heutigen Mitternachtsmesse am Heiligen Abend in der Katharinenkirche in Oppenheim begann der offizielle Teil des Hoftages, der die Machtverhältnisse im Reich auf den Kopf stellen sollte. Oder wieder auf die Füße, dachte der Erzbischof in einem seltenen Anflug von
Weitere Kostenlose Bücher