Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Sarkasmus. Wie es sich gehörte, um das Reich Gottes schon auf Erden zu verwirklichen. Tiefe Befriedigung und innere Genugtuung erfüllten ihn bei dem Gedanken daran, wie er das Reich dem obersten Häretiker, Kaiser Friedrich II ., entreißen und seine Anhänger mitsamt ihrem selbsternannten König dem Untergang preisgeben würde. War das nicht der höchste Triumph, seine Feinde straucheln zu sehen und den Ausdruck des Grauens in ihren Gesichtern zu lesen, sobald die Erkenntnis sie überkam, dass sie in den Staub gestoßen werden würden? Endlich, endlich würde ein Sturm entfacht werden, der das Unterste zuoberst kehrte und die alte Ordnung wieder einführte. Eine gottgewollte, gottgegebene Ordnung mit einem Papst seiner Wahl auf dem Stuhle Petri, der die unumstößliche Suprematie über die weltlichen Herrscher wieder herstellte, für jetzt und immerdar.
Pater Severin, der seinen Herrn und dessen Eigenart, bei seinen täglichen Ritualen, denen er üblicherweise nachkam, egal wo er war, auf keinen Fall gestört zu werden, nur allzu gut kannte, wachte an der Pforte darüber, dass niemand die Andacht des Erzbischofs behelligen konnte. Gestern bei der Ankunft auf Burg Landskron hatte er wieder einmal zu spüren bekommen, was es hieß, auf einem sehr schmalen Grat zu wandeln. Seine Dienste für den Erzbischof, denen er stets mit höchstem Eifer und größter Beflissenheit nachkam, hatten ihn zu einem mächtigen und einflussreichen Diener Gottes gemacht; und, was ihm noch viel besser gefiel: zu einem allseits gefürchteten. Er genoss es, wenn Gespräche verstummten, sobald er gesichtet wurde; wenn vor ihm die Augen niedergeschlagen wurden, sobald er mit wehendem Habit einen Raum betrat, immer in Eile, immer auf dem Sprung. Seine schlichte, schwarze Soutane hatte er absichtlich weiter schneidern lassen, weil das den dämonischen Eindruck verstärkte. Er fand, er sah dann aus wie ein schwarzer Racheengel, der im Auftrag seines Herrn unterwegs war, ein schwarzer Engel, der jederzeit zuschlagen konnte und vor dem sich alle duckten.
Was er nicht wusste, war, dass man ihn insgeheim auch als schwarzen Raben bezeichnete. Aber der Eindruck war derselbe. Schwarze Raben galten als Unglücksvögel, als Todesboten, bei deren Anblick sich jedermann bekreuzigte in der Angst, der Nächste zu sein, der seine Seele aushauchen musste. Wenn er an den Bittstellern und Konkurrenten vorbeirauschte, die ständig im Dunstkreis des Erzbischofs herumlungerten, spürte er die Blicke geradezu körperlich, die sich in seinen Rücken bohrten; manche wünschten wohl, es wären Dolche. Aber er fühlte sich unverwundbar, die ständigen Verletzungen, denen er in den Jahren seiner Kindheit und Jugend wegen seines Hinkens und seiner Missgestalt ausgesetzt war, der offene Hohn und Spott seitens der anderen Kinder hatten ihn immun gemacht. Oh, er hatte viel Leid ertragen. Aber dabei immer gewusst, dass er es der Welt eines Tages heimzahlen würde. Und jetzt hatte er sie alle überflügelt. Er war so weit emporgestiegen, dass sie alle vor ihm zitterten. Seine Achillesferse war die Abhängigkeit von seinem Herrn, dem Erzbischof, dem er seine jetzige Stellung verdankte. So lange er dessen Wohlwollen genoss und in seiner Gunst stand, konnte ihm nichts und niemand etwas anhaben. Doch dieser Gunst tagtäglich gerecht zu werden und sie nicht zu verlieren, war ein gefährlicher Ritt auf der Schwertklinge. Pater Severin war klar, dass sein Herr ihn sofort fallenlassen und den Wölfen zum Fraß vorwerfen würde, wenn er versagte oder gar dem Erzbischof selbst gefährlich werden konnte.
Die Nagelprobe war der kommende Hoftag. Er hatte alles, was in seiner Macht stand, sorgfältig durchdacht und vorbereitet, hier durfte ihm kein Fehler unterlaufen. Damit würde er sich sein eigenes Grab schaufeln, und das im wörtlichen Sinne. Wer bei Konrad von Hochstaden in Ungnade fiel und dazu noch zu viel schmutzige Geheimnisse hütete, war so gut wie tot, das wusste er selbst am besten.
Er hatte Veit zu dieser frühen Stunde herbestellt. Veit, den Koch im königlichen Haushalt, der seit geraumer Zeit auf seiner Soldliste stand, und der seiner ihm anvertrauten geheimen Aufgabe, den König einen langsamen Vergiftungstod sterben zu lassen, bisher anscheinend zur vollen Zufriedenheit nachgekommen war. Als sich der Erzbischof beim Empfang durch Graf Georg von Landskron scheinheilig nach des Königs Befinden erkundigte, hatte Pater Severin neben ihm gestanden und im Gesicht des
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