Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
»Jeronimus – was hast du zu berichten?«
Er richtete sich auf, wagte aber nicht, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen, und hielt den Blick auf den Boden gerichtet. »Dass die junge Frau, die Medica genannt wird, sich hier in der Stadt aufhält, Euer Gnaden.«
»Und warum glaubst du, das könnte für mich von Interesse sein?«
»Weil sie wieder anfangen will, als Heilerin tätig zu sein.«
»Will sie das?«
»O ja! Zusammen mit ihrem Begleiter, Bruder Thomas.«
Ohne sich umzudrehen, hob der Mann vor dem Kamin, der Jeronimus bisher den Rücken zugekehrt hatte, seine linke beringte Hand und stellte mit leiser Stimme seine erste Frage. »Woher willst du das wissen?«
»Verzeiht, Euer Eminenz, aber ich bin Knochenhauer auf Burg Greifenklau, und diese Anna ist auf der Burg eingezogen. Greifenklau ist nicht groß, da bleibt nichts verborgen.«
»Aber sie wird dir kaum ihre Pläne verraten haben, oder, Knochenhauer?«, fragte die Stimme, die tief aus dem pelzverbrämten Mantel zu kommen schien.
»Nein, natürlich nicht. Aber ich kann eins und eins zusammenzählen.«
Einen Augenblick lang war nur das Knistern und Knacken des Feuers im Kamin zu hören. Jeronimus gefror das Blut in den Adern – war er zu forsch gewesen mit seiner Antwort, zu dreist in Gegenwart des Erzbischofs, der, so war allgemein bekannt, keine Widerworte oder Widerspruch duldete, schon gar nicht von so einem unbedeutenden kleinen Sünder wie Jeronimus? Er sah hilfesuchend zu Pater Severin, aber der sagte kein Wort und stand nur wie ein gedrungener Fels mit verschränkten Armen da.
Der große Mann vor dem Feuer drehte sich schließlich um und kam auf Jeronimus zu. Erst jetzt war sein Gesicht zu erkennen. Sein Bart war perfekt getrimmt, durchzogen von silbernen Fäden. Seine Hände spielten unentwegt mit den Kugeln eines Rosenkranzes aus Bernstein, und sein violettes Pileolus saß akkurat auf dem dunklen Haarschopf. Erzbischof Konrad von Hochstaden. Er trat so nahe an Jeronimus heran, dass er mit seiner Nase fast die von Jeronimus berührte, und durchbohrte ihn mit einem forschenden Blick aus pechschwarzen Augen.
»Kannst du das?«, fragte er. »Eins und eins zusammenzählen? Kannst du das wirklich?«
Jeronimus war so eingeschüchtert, dass er zunächst keinen Ton herausbrachte. Der Erzbischof ließ ihn nicht aus den Augen. Jetzt näherte sich auch noch Pater Severin von der Seite und flüsterte Jeronimus ins Ohr. »Antworte gefälligst, Bursche, wenn dich Seine Eminenz, der Erzbischof, etwas fragt!«
Jeronimus räusperte sich und fand seine Stimme wieder. »Ich denke schon, Euer Gnaden. Und Euer Eminenz«, fügte er hastig hinzu und wünschte sich in diesem Moment, er wäre nicht auf die Idee gekommen, um des schnöden Mammons willen im erzbischöflichen Palast vorzusprechen. Aber seine aufsteigende Panik verflog in Windeseile, als der Erzbischof Pater Severin ein Zeichen gab, dieser in seine Tasche griff und fünf Goldmünzen in seine linke, offene Handfläche rieseln ließ. Einmal, zweimal, dreimal, verführerisch. Konrad von Hochstaden wandte sich an ihn. »Wenn du so gut zählen kannst, dann kannst du mir vielleicht auch sagen, wie viel das ist …«
»Das … Das sind fünf Augustalen«, stotterte Jeronimus und musste schlucken. Er hatte einmal so eine Goldmünze gesehen, bei diesem Anblick stockte ihm der Atem. Sie waren ein Vermögen wert, so viel konnte er in seinem ganzen Leben nicht auf ehrliche Weise erarbeiten. Pater Severin drückte Jeronimus die Münzen in die Hand, der kurzzeitig das aberwitzige Gefühl hatte, dass sie glühten und sich in seine Hand hineinbrannten. Aber als er sie umschloss, fühlten sie sich an wie jede normale Münze dieser Größe.
»Willst du sie dir verdienen?«, fragte Pater Severin.
»Was muss ich dafür tun?«, stellte Jeronimus die Gegenfrage. Er war nicht dumm. Für so eine enorme Summe musste die Gegenleistung entsprechend groß sein, das war ihm klar. Pater Severin nahm ihm die Münzen wieder ab, gleichzeitig forderte er ihn auf: »Berichte uns, was du weißt.«
Jeronimus erzählte alles, von Annas Ankunft und ihren Freunden auf Burg Greifenklau bis zur Fahrt nach Köln, die Anna, als Mönch verkleidet, neben ihm auf dem Kutschbock verbracht hatte, zusammen mit diesem riesigen Mönch namens Bruder Thomas.
»Was wollen die Medica und ihr Mönch in Köln? Und sag mir bloß nicht, dass sie zur Beichte hier sind und um Buße zu tun«, sagte der Erzbischof.
»Soviel ich weiß, kaufen sie
Weitere Kostenlose Bücher