Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Beerdigung erst einmal aufwärmen. Anna ging unruhig auf und ab und ließ Bruder Thomas vor sich hin tüfteln. Sie war mit ihren Gedanken schon längst einen Schritt weiter.
Bruder Thomas kratzte sich wütend am Kopf. »Schon wieder so ein vermaledeites Rätsel. Warum kann man nicht einmal deutlich schreiben, was passiert ist? So dass es jeder versteht?«
Der Graf mischte sich ein. »Mein Schwiegersohn wollte bestimmt nicht, dass diese Botschaft von jemandem verstanden wird, den es nichts angeht.«
»Es ist Latein, eindeutig. Verzeiht meine Frage, aber seid Ihr des Lateinischen mächtig?«, fragte er den Grafen.
»Abgesehen davon, dass ich die Botschaft wegen meiner Augen sowieso nicht lesen kann und sie mir also jemand vorlesen muss, nein, natürlich kann ich kein Latein. Sehe ich aus wie ein Mönch?«, erwiderte der alte Graf und streckte seine Arme aus.
»Also gilt die Nachricht der Medica. Sie kann Latein«, murmelte Bruder Thomas und nahm sich den Zettel noch einmal vor. »Natürlich. Med. heißt Medica. Wer ist Lea? Lea mort. est. Lea mortuus est. Lea ist tot. Aber wer zum Teufel ist Lea?« Schnell warf er einen hastigen Blick gen Himmel, bekreuzigte sich oberflächlich und murmelte: »Parce mihi, Domine, qui es sueba sum! Vergib mir, o Herr – ich weiß, in letzter Zeit nimmt meine Flucherei überhand, aber du machst es mir auch nicht gerade leicht, wenn du mich ständig auf die Probe stellst.«
Er wandte sich an Anna, die geistesabwesend in die Flammen des Kaminfeuers starrte, und sah sie besorgt an. »Verzeih mir, Anna – stand dir diese Lea nahe?«
Anna sprach mit tonloser Stimme. »Lea ist ein wildes Tier aus Ägyptenland. Ein Gepard«, sagte sie und schluckte.
Bruder Thomas verstand nun gar nichts mehr und blickte sie verständnislos an.
»Was bedeutet das alles, Anna?«, wollte der Graf wissen.
»Es bedeutet, dass Bruder Thomas und ich uns so bald wie möglich wieder auf den Weg machen müssen. Thomas, bitte sei so freundlich und stelle alles Nötige an Arzneien zusammen, was wir nach Oppenheim mitnehmen müssen. Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig.«
Bruder Thomas stellte sich mit verschränkten Armen vor seine Medica. »Ich rühre keinen Finger, bevor du mich nicht endlich einweihst! Wieso müssen wir schon wieder weg? Bei dem Wetter reist man nicht. Da jagt man ja nicht einmal einen Hund vor die Tür!«
Anna schüttelte traurig den Kopf. Dann sagte sie, lauter und wütender, als sie es eigentlich wollte: »Ja glaubst du denn, ich würde nicht auch gern ein paar Tage hier im Warmen verbringen und darauf warten, dass Chassim endlich wohlbehalten zurückkommt?!«
Auf so einen Ausbruch war Bruder Thomas nicht gefasst gewesen. »Ja, wenn du meinst … Wenn es so ernst ist«, stotterte er irritiert.
»In der Tat. Ich erzähle euch jetzt, was niemand außer mir weiß. Ich bin auf Burg Landskron mehrfach dem jungen König begegnet, der auf einer Rundreise durch das Reich bei Graf Landskron haltgemacht hatte.«
»Du kennst Konrad IV .?«, fragte der Graf erstaunt.
»Ja, und er hat mich trotz seiner Jugend, er war nicht über vierzehn, sehr beeindruckt. Ich war für kurze Zeit zufällig allein mit ihm in der Halle von Burg Landskron. Auf der einen Seite ist er noch ein Kind, auf der anderen Seite ist er sich seiner großen Aufgabe und Verantwortung als Sohn unseres Kaisers und als sein Stellvertreter und König im Reich bewusst. Ich war sofort von seiner Haltung, Klugheit und Würde für ihn eingenommen. Konrad wusste genau, wie schwach seine Position bei den Fürsten des Reichs ist, und hat alles getan, um sie zu festigen. Dass er starke Widersacher hat, manche trachten ihm sogar nach seinem Leben, ist ihm klar. Lea ist – oder war – sein ganzer Stolz und das Einzige, was er zum Vergnügen und Spielen hatte. Sie war ein Gepard und ein Geschenk seines Vaters. Er hat das Tier geliebt, ich habe es mit eigenen Augen gesehen und erlebt, als ich Eure Tochter, Gräfin Ottgild, nach der schweren Geburt ihres Sohnes regelmäßig aufgesucht und behandelt habe.«
Sie streckte die Hand nach der Botschaft aus, und Bruder Thomas reichte ihr den Zettel.
Anna übersetzte. »Med. fest. heißt Medica festina! Also, beeile dich! Lea ist gestorben, und Mors re. inst. heißt Mors regi instat, frei übersetzt: der König liegt im Sterben.«
Der alte Graf und Bruder Thomas schwiegen betroffen, der Schreck über diese Hiobsbotschaft stand ihnen ins Gesicht geschrieben. »Mors regi instat, der Tod
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