Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
ging und nach möglichen Feinden Ausschau hielt, die Gott sei Dank nicht kamen. Wahrscheinlich weil ihnen auch zu kalt war, vermutete er fröstelnd, stampfte mit den Füßen auf und schlug mit den Armen um sich.
Aber dann erspähte sein scharfes Auge zwei Punkte am Horizont, die schnell näher kamen. Reiter auf ihren Pferden, in gestrecktem Galopp. Und in ihrem Gefolge weitere Reiter, dick vermummt und ohne Feldzeichen. Er wollte schon Alarm schlagen, als er die ersten zwei Reiter erkannte. Es waren sein junger Herr, Graf Chassim, und, kaum erkennbar unter der Kutte mit der Kapuze über dem Kopf, die Medica. Er schrie in den Burghof hinunter: »Öffnet das Tor! Der Graf kommt zurück. Er hat viele Männer dabei.«
Der Burghauptmann streckte seinen Kopf aus der Stalltür und schrie zurück: »Wie viele?«
»Weiß nicht … ungefähr zwanzig. Und die Medica!«
Der Burghauptmann und zwei Männer kamen aus den Stallungen und beeilten sich, das schwere Tor zu öffnen. Ambros sah neugierig zu, wie die Meute auf den Hof geritten kam und haltmachte, die Pferde dampften in der Kälte. Die Männer stiegen ab und führten ihre Rösser in die Stallungen, während Chassim und die Medica in das Herrenhaus stürmten.
Der Burghauptmann, dem wie immer nichts entging, winkte zu ihm hoch. »Du sollst hier keine Maulaffen feilhalten, sondern Wache schieben, hast du mich verstanden?«, brüllte er.
Widerwillig hob Ambros die Hand zum Zeichen, dass er ihn gehört hatte, und drehte sich wieder um. Oh, wie sehr er sich nach dem Sommer und seiner Freiheit sehnte, die ihn dort auf den hügeligen, weitläufigen Wiesen erwartete, wo ihn niemand ankeifte und er seine Ruhe hatte!
Er drehte mehr oder weniger pflichtbewusst weiter seine Runden auf dem Wehrgang und träumte sich dabei wieder in eine wärmere und schönere Welt, als er jemand die Holzstufen zum Wehrgang hochpoltern hörte. Es war der schwer atmende Burghauptmann. »Ambros! Mach, dass du herkommst!«, brüllte er zu ihm herüber.
Was war denn nun schon wieder los? Er hatte sich doch nichts zuschulden kommen lassen. Aber dem Burghauptmann fiel immer irgendetwas ein. Ambros stöhnte unwillig in sich hinein und trottete auf ihn zu.
Der Burghauptmann packte ihn am Arm und zerrte ihn ungeduldig hinter sich her. »Jetzt komm schon. Die Herrschaften warten auf dich!«
»Auf mich? Aber ich habe doch gar nichts getan!«
Er wollte sich zur Wehr setzen, aber der Burghauptmann war unerbittlich. »Halt den Schnabel und komm!«, sagte er nur, zog ihn hinter sich her die Treppe zum Hof hinunter und auf das Herrenhaus zu. Jetzt wurde es Ambros doch allmählich mulmig zumute. Aber so sehr er auch nachdachte, er war sich keiner größeren Schuld bewusst, die ein Zu-Kreuze-Kriechen vor dem Grafen samt anschließender Strafpredigt nach sich gezogen hätte.
Ohne Anmeldung ging es schnurstracks in die Empfangshalle, wo der alte und der junge Graf und die Medica vor dem Kaminfeuer standen und dem Burghauptmann und Ambros gespannt entgegensahen. Jetzt erst ließ der Burghauptmann den Hütejungen los, der sich verneigte und bangen Gesichts der Dinge harrte, die da auf ihn zukommen würden. Irgendwie hatte Ambros das dumpfe Gefühl, dass die Herrschaften auf ihn gewartet hatten.
Das konnte nicht sein, er war unbedeutend, galt weniger als nichts in der Burghierarchie, es konnte sich nur um ein Missverständnis handeln. Ein Knuff vom Ellenbogen des Burghauptmanns, der sich seine Mütze längst vom Kopf gerissen hatte, erinnerte ihn daran, dass er seine noch aufhatte. Rasch nahm er sie ab und knetete sie verlegen mit den Händen.
Die beiden Grafen warfen der Medica einen Blick zu. Sie hatte ihre Kutte inzwischen abgelegt und wärmte ihre Hände am Kaminfeuer. Noch immer sprach keiner ein Wort. Allmählich wurde Ambros die Stille, in der man nur das Lodern und Knacken des Kaminfeuers hörte, unangenehm. Er trat unruhig von einem Bein auf das andere, aber er wusste, dass man zuerst angesprochen werden musste, bevor man in Gegenwart der Herrschaften den Mund aufmachen durfte, so viel Manieren hatte man ihm beigebracht, obwohl der alte Graf in dieser Beziehung ziemlich großzügig war und in seiner leutseligen Art darüber hinwegsah, wenn man sich nicht immer daran hielt. Außerdem hätte Ambros gar nicht gewusst, was er in dieser Situation sagen sollte.
Jetzt kam die Medica auch noch auf ihn zu und lächelte ihn an. Ambros mochte sie, sie war beliebt bei den Bediensteten, weil sie nicht unnahbar war
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