Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
jetzt nur einen versöhnlichen und innigen Kuss im Wald, bevor sie wieder zurückgingen und mithalfen, das Innere der Kate, das nur aus einem großen, heruntergekommenen Raum mit einer Feuerstelle bestand, einigermaßen in ein Lager für eine Nacht herzurichten.
Die Männer hatten Trockenfleisch, Brot und Bier dabei und waren natürlich begierig darauf, von Anna zu erfahren, was der König in Oppenheim wollte und was sie auf Burg Landskron erlebt hatte. Sie enttäuschte sie nicht und schlug sie mit ihren eindrucksvoll geschilderten Erlebnissen in ihren Bann, behielt aber für sich, dass der König vergiftet worden war und mit dem Tode gerungen hatte. Den wahren Grund ihrer jetzigen Mission verschwieg sie ebenfalls, bevor sie alle unter ihre Decken krochen und versuchten, dringend benötigten Schlaf zu finden. Anna hätte sich jetzt am liebsten an Chassim gekuschelt, aber er wies ihr ein wenig abseits von den Männern am warmen Feuer eine Schlafstelle zu und wachte selbst die ganze Nacht, damit das Feuer nicht ausging. Seit langer Zeit fühlte sich Anna wieder sicher und geborgen wie in Abrahams Schoß. Es war ein wunderbares Gefühl, das sie lange entbehrt hatte. Kaum hatte sie sich in ihre Decke eingewickelt, da war sie auch schon eingeschlafen.
IV
H ütejunge Ambros schob Wache auf dem Wehrgang von Burg Greifenklau und langweilte sich zu Tode. Er fror erbärmlich und hüpfte deshalb von einem Bein auf das andere. Lieber wäre er jetzt im Stall bei seinen Tieren gewesen. Da war es warm und gemütlich, im Heu hätte er auf seinem Lager liegen und an den Sommer denken können, die schönste Jahreszeit, wenn er sich auf einem Hügel die Sonne auf den Pelz brennen ließ, schläfrig unter halbgeschlossenen Lidern auf seine friedlich grasenden Schafe und Ziegen hinuntersah und auf seinen Schäferhund, der sie eifrig umkreiste oder nach Feinden Ausschau hielt. Den Schäferhund hatte er »Wolf« getauft, weil er seinen wilden Vettern in den Wäldern so ähnlich war. Aber nur vom Aussehen her, vom Wesen war er lammfromm, und er gehorchte aufs Wort, Ambros hatte ihn gut abgerichtet, er hatte ein Händchen für Tiere. Der Hütejunge träumte gern in den Tag hinein und spielte auf seiner selbstgeschnitzten Flöte. Er fühlte sich nicht zu Höherem berufen, an einem heißen Tag im Monat Heuert war er mit sich, seiner Aufgabe – Arbeit konnte man das ja nicht unbedingt nennen – und der Welt im Reinen. Solange er genug zu essen und zu trinken hatte, ein Zuhause und hier, abseits der Burg auf den gräflichen Wiesen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen konnte; keinen Herrn, nur den blauen, leicht bewölkten Himmel über sich, auf dem die Wolken dahinzogen, denen man nachsehen konnte, war er glücklich. Wolf tat, wozu er ausgebildet worden war, und hielt die kleine Herde zusammen. Wenn Ambros nach Gesellschaft zumute war, pfiff er nach seinem Hund, der dann sofort herangehechelt kam, sich brav neben ihn setzte und sich hinter den Ohren kraulen ließ. Eine saftige Sommerwiese, das gelegentliche Blöken der Schafe und das Meckern der Ziegen waren für Ambros der Garten Eden, vollkommener konnte das himmlische Paradies für ihn auch nicht sein.
Und nun war er vom Burghauptmann dazu verdonnert worden, die ganze Woche bei Eiseskälte auf dem zugigen Wehrgang Wache zu schieben. Warum hatte er auch gestern vergessen, seinen Milchbart wegzuputzen, nachdem er verbotenerweise von diesem köstlichen Milchrahm probiert hatte, den die Magd Berbelin so vorzüglich zubereiten konnte? Dass er der Versuchung nicht widerstanden hatte, wäre ja noch einzusehen gewesen – nur dabei erwischen lassen durfte man sich eben nicht. Aber kaum war er aus der Vorratskammer neben der Küche gekommen, rannte er dummerweise geradewegs dem gestrengen Burghauptmann und Hofmeister in die Arme, der natürlich auf den ersten Blick sah, was Ambros angestellt hatte, und ihm nicht nur die Ohren langzog, sondern auch gleich noch zur Strafe den Wachdienst aufbrummte.
Wenigstens stand Weihnachten bald vor der Tür, da gab es immer etwas Besonderes zu essen, und er durfte beim alljährlichen Krippenspiel mitmachen, das in der großen Scheune vor allen Herrschaften und Bediensteten der Burg aufgeführt wurde. Er spielte sich selbst, einen Hirtenjungen, der mit den Heiligen Drei Königen die Krippe aufsuchte, in der das Jesuskind lag, umringt von Maria und Josef und Ochs und Esel.
Jetzt war er der Esel, jedenfalls kam er sich so vor, wie er da auf und ab
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