Die Rache Der Nibelungen
Prinzen, das Pergament am Gürtel mit dem königlichen Siegel verschlossen. Siegfried brach es und hielt das Schreiben nach kurzer Lektüre lachend seinem besten Freund hin. »Die Kröte lädt zum Spielen ein.«
Es enttäuschte Nazreh, dass Siegfried in dieser Lage lachen konnte, und der mangelnde Respekt vor Wulfgar war bestenfalls leichtsinnig. Er las die Botschaft genau: »Nichts anderes als ein direktes Gespräch schlägt er vor – so wie es zwischen Herrschern
vor
einem Kriege üblich ist.«
Siegfried nickte. »Es gibt jedoch nichts zu bereden – und wie närrisch müsste ich sein, mich freiwillig in seine Hand zu begeben? Will Wulfgar reden, kann er gerne aus der Burg gekrochen kommen.«
Nazreh rollte das Pergament zusammen. »Du würdest ihn mit einem Streich deines Schwertes töten.«
»Ganz genau.«
»Warum sollte er es also tun? Siegfried, er schlägt die Aussprache von Mann zu Mann vor – sicher besser, als weiterhin zu lauern oder tausende von guten Männern in sinnlosen Kämpfen zu verlieren.«
Der Prinz sah seinen Freund an, als habe dieser den Verstand verloren. »Ich soll mit Wulfgar
verhandeln?
Nazreh, hätte ich verhandeln wollen, dann hätte ich ebenso gut als Bettler an seinen Hof reisen können. Hat Wulfgar verhandelt, als er sich Island nahm?«
Nazreh schüttelte den Kopf. »Nein, das hat er nicht – und es ist nicht ratsam, ihm darin nachzueifern. Was hält dich ab, ihn anzuhören?«
»Die Tatsache, dass er mich kaum lebend aus der Burg lassen würde?«
»Dann schaff dir eine Versicherung – bestimm den Ort, bestimm die Umstände. Diplomatie auch zwischen Feinden ist der Schlacht vorzuziehen.«
Siegfrieds Blut floss immer noch zu heiß, um das Gespräch mit seinem Widersacher auch nur in Betracht zu ziehen. »Seine Botschaft beweist, dass er seine Sache verloren wähnt. Es wäre ein Zeichen von Schwäche, nun nachzulassen.«
Nazreh nahm seinen Freund fest bei den Schultern. »Deine tumbe Stärke wird in den nächsten Tagen weitere tausend gute Männer das Leben kosten. Rechne ihr Blut wie deins, Siegfried – und dann sag mir, dass es keinen Wert hat, mit Wulfgar zu verhandeln!«
Endlich drang er zum Prinzen durch, und der zornige Kampfeswille in seinem Schädel räumte endlich wieder der Vernunft den Platz. »Mit Albträumen zahle ich jede Nacht für den Tod meiner Männer. Vielleicht hast du recht, und meine Sorge für sie ist Pflicht genug, den Sieg nicht um jeden Preis zu suchen.«
»Keiner erwartet, dass du dir weniger als den Triumph verdienst«, sagte Nazreh leise und sehr eindringlich. »Doch Sieg ist nicht immer der Sieg des Schwertes.«
»Dann hilf mir«, bat Siegfried. »Sag mir, wie ich Wulfgar gebührend antworte, ohne Gesicht oder gar Leben zu verlieren.«
Nazreh lächelte zufrieden. »So spricht ein Mann, der König sein kann. Verlange von Wulfgar ein Treffen zwischen den Fronten, auf einem Feld mit guter Einsicht. Beide Seiten bringen ihre besten Schützen in gehörigem Abstand. Befiehlt der eine König den Tod des anderen, sterben beide. Keine Rüstung, keine Waffen, keine Vasallen.«
»So hemmt die Aussicht auf den eigenen Tod den Willen, selber zum Mörder zu werden«, murmelte Siegfried. »Ein Gleichgewicht des Schreckens. Sicher nicht die edle Lösung, aber den Zweck mag es erfüllen.«
Nazreh nickte. »Eine Taktik, so alt wie der Krieg selbst. Wenn der Bote diese Nachricht Wulfgar überbringt, mag das Treffen schon morgen stattfinden. Und bis dahin sollen die Waffen ruhen.«
Siegfried runzelte die Stirn. »Sollen wir dem Kurier die Botschaft in die Tasche nähen – und dann seinen Leichnam zur Burg reiten lassen?«
Nazreh erstarrte ob der Kälte, mit der sein Anführer die Frage stellte, doch Siegfried lachte plötzlich schallend. »Nur ein Scherz, mein Freund – den Blutdurst Wulfgars habe ich nicht, und in der Überbringung einer Botschaft kann ich keine schändliche Tat erkennen. Der arme Mann soll lebend sein Ziel erreichen.«
Es erleichterte das Herz des Orientalen, dass Siegfried doch noch seine Menschlichkeit bewahrt hatte.
Es war schon späte Nacht, und die Generäle hatten sich vor Stunden zurückgezogen, um ihre Einheiten für den nächsten Tag zu instruieren. Wulfgar grübelte in seinem Kriegsraum, den ein runder Holztisch mit unzähligen Karten dominierte, über der Antwort des Anführers der Invasoren. Es war weniger der Inhalt, der den Xantener König nachdenklich stimmte – die Forderungen Siegfrieds waren weder anmaßend noch
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