Die Rache Der Nibelungen
konnte.
»Besser keine Heimat als eine gestohlene«, hielt der Prinz dagegen.
Wulfgar zog einen Mundwinkel hoch. »Ihr strebt wohl danach, das zu ändern.«
»Ich will nicht mehr, als mein ist«, sagte Siegfried.
Wulfgar beugte sich vor, bis seine Nasenspitze fast an die seines Gegners stieß. »Und wer spricht hier von Dingen, die er sein Eigentum wähnt?«
Siegfried ließ sich nicht einschüchtern, sondern atmete tief ein. »Ich bin als Siegfried gekommen – doch als ihr es versäumt habt, mein Leben zu nehmen, rief man mich noch Sigurd von Island.«
Wulfgar ging einen Schritt zurück und trat erbost auf den Boden. Ein Fluch, der so alt war, dass niemand mehr ihn zu schreiben wusste, entfuhr seinen Lippen.»Der alte Narr hat mich belogen! Natürlich! Ich werde ihn in Streifen schneiden lassen.«
Der König von Xanten war geradezu kindisch wütend, dass er sich von Eolind hatte täuschen lassen. Selbst Xan-dria zuckte zusammen, wie Siegfried aus dem Augenwinkel bemerkte.
Der Prinz lächelte freudlos. »Die Götter stehen auf meiner Seite, und mit ihrer Hilfe werde ich mir nehmen, was man meiner Familie genommen hat.«
Wulfgar fing sich wieder, strich sich über den Bart und musterte Siegfried von oben bis unten. »Der Sigurd also.«
»Siegfried.«
»Siegfried, wie auch immer. Zugegeben, nun ist mir einiges besser erklärlich. Sogar, dass die Römer Euch in Worms ein Heer aufstellen ließen. Schließlich seid Ihr von Burgunder Blut.«
»Das bin ich.«
Wulfgar gönnte sich ein paar Sekunden, um die Lage zu überdenken. Eigentlich war es so offensichtlich gewesen, dass er sich ärgern musste, nicht von selbst auf diese Erklärung gekommen zu sein. Sogar Siegfrieds Forderung nach seinem Kopf war nun nicht weniger als selbstverständlich. »Rache ist also Euer Motiv, nicht Gier nach Macht und Schätzen?«
»An Gold mangelt es mir nicht, und Macht hält keinen Reiz für mich«, antwortete Siegfried, immer wieder zur Prinzessin blickend.
Wulfgar grinste. »Dann ginge es mit dem Teufel zu, wenn wir uns nicht einigen könnten.«
Siegfried straffte seine Haltung. »Nicht weniger als Kapitulation kann die Grundlage sein. Und als Zugeständnis biete ich nur dies – ich töte Euch in einem fairen Duell, statt Euch gefesselt zu martern, bis das Leben Euren Leib jammernd verlässt.«
Auch Wulfgar wurde wieder ernst. »Mit einem Schwert in der Hand würde ich Euch diese Worte zusammen mit Eurer Zunge fressen lassen. Aber als Herrscher Xantens bin ich dem Frieden und der Politik verpflichtet. So habe ich ein Angebot für Euch.«
»Sprecht.«
»Ich gebe Euch Island.«
Es war nicht, was Siegfried erwartet hatte, und er brauchte eine Weile, um zu verarbeiten, was Wulfgar da vorschlug.
Der König von Xanten hob die Arme. »Es braucht keinen Krieg dafür. Ich nahm Eures Vaters Land, weil er es schwach und ungeschützt regierte. So ist das Gesetz der Völker. Wollt Ihr im Norden ein besserer König sein, so geleitet Euer Heer durch Xanten, bis ihr ans Meer stoßt. Keiner meiner Soldaten wird sein Schwert gegen Euch erheben. Einen schnellen Boten schicke ich voraus, mit der Versicherung, dass Ihr bei Eurer Ankunft keine Xantener Seele mehr in der Felsenburg vorfindet. Ein Reich für Euch, ein Reich für mich, kein weiteres Blutvergießen.«
Wulfgar sprach, als hätte er eine minderwertige Ware an den Mann zu bringen, und Siegfried wusste, dass dem so war – der König Xantens stand mit dem Rücken zur Wand, und die Offerte war ein bequemer Ausweg. So wie die Barden am Hofe Xantens Wulfgar als Sieger preisen würden, könnte auch Siegfried sich in Island als Befreier bejubeln lassen.
Es war ein gutes Angebot, wenn auch aus Feigheit geboren. Und Siegfried wusste, dass er noch die Tochter des Königs verlangen konnte, wenn er wollte. Er konnte
alles
verlangen, was er wollte.
Nazreh würde stolz sein.
Aber Siegfried dachte an Brunhilde, an die Nibelungen – an seinen Vater, dessen Namen er trug. Er hatte die letzten Tage auf der Erde seiner Vorfahren geschlafen, kaum einen Tagesritt von der Burg entfernt, in der einst seine Mutter regiert hatte.
Entschlossen schüttelte der Prinz den Kopf. »Wäre ich nur Sigurd von Island – vielleicht kämt Ihr so davon. Doch ich stehe hier auch als Siegfried, Erbe von Xanten.«
Er sagte es laut genug, dass es auch die Prinzessin hören konnte und die Soldaten des Königs.
In Wulfgars Hals grollte es – er hatte sich schon überlegen gesehen. »Was redet Ihr für einen
Weitere Kostenlose Bücher