Die Rache Der Nibelungen
Pack!«
Natürlich wusste der König, dass er immer von der Ehrlosigkeit des Packs profitiert hatte, doch niemand wagte es, ihn darauf hinzuweisen. Henk räusperte sich. »Wir haben natürlich den Vorteil der Verteidigung. Während der Feind angreifen muss, Boden braucht, Siege sucht, reicht es für Xanten, nicht zu weichen. Unsere Grenzen zu halten ist ungleich einfacher, als ein anderes Reich in die Knie zu zwingen.«
Wulfgars Augen fixierten die Grenzen Xantens auf der Karte. »Wie stehen unsere Chancen?«
Das verlegene Schweigen war Antwort genug, und die nächsten Worte des Königs waren Drohung genauso wie Versprechen. »Wir konzentrieren all unsere Kräfte im Süden und an den Flanken. Wer das Land nicht verteidigt, den erwartet das Schwert. Und wenn dieses verdammte Geisterheer das Reich haben will, wird es in seinem Blut waten müssen.«
An einem zeitigen Morgen, der schwer nach Frühlingsblüten roch, traf das Heer aus Burgund auf die Xantener Grenzen – und Wulfgars Heer. Ein Bote im Sold Siegfrieds ritt zu den Generälen des Königs und verlas die formelle Herausforderung: »Mein Herr, Prinz Siegfried, erhebt Anspruch auf das Reich Xanten, seinen Thron und die zugehörigen eroberten Ländereien, insbesondere Island. Sofortige Kapitulation wird mit Milde in den anstehenden Prozessen vergolten. Ausnahme: König Wulfgar, dessen Schicksal der Tod sein wird. Es bleiben sechs Stunden zur Antwort.«
Der enthauptete Leib des Boten wurde nach kaum zwei Stunden auf sein Pferd gebunden und in Richtung des Söldnerheers zurückgeschickt. Es war die Antwort, die Wulfgar für angemessen hielt.
Der Krieg begann noch am gleichen Tag.
Fast fünfzigtausend Soldaten in Siegfrieds Sold rannten an gegen zwanzigtausend Getreue des Xantener Königs, die in eilig befestigten Stellungen harrten wie schwer bewaffnete Hasen.
Am ersten Tag fielen auf der Seite der Eroberer fast fünftausend Männer, und Xanten verlor die gleiche Menge. In von Pfeilen niedergemähten Reihen lagen die Leichen weit verteilt, vereinzelt stapften verwirrte und verletzte Pferde zwischen den Körpern herum und rochen an ausgebluteten Wunden. Priester segneten die Toten in schneller Folge, bevor sie auf Karren geworfen und weggeschafft wurden.
Siegfried beobachtete die Schlacht, so weit sein Auge reichte, von einem Hügel im Süden aus. Von den Ebenen und Tälern, die seinem Blick verschlossen waren, berichteten Kuriere, und ihre Neuigkeiten waren es, nach denen die Karten und Listen angepasst wurden, nach denen die Heerführer die Attacken neu ausrichteten.
Es trieb Siegfried, sich selber in den Kampf zu stürzen, als Anführer in vorderster Front die Soldaten mitzureißen, wie es sich für einen künftigen König gehörte. Doch sowohl das Feldbuch von Thelonius wie auch sein Freund Nazreh hatten dringend davon abgeraten. Nazreh hatte sogar ohne den Tonfall eines Scherzes versprochen, Siegfried niederzuschlagen, um ihn von der Dummheit abzuhalten. »So glorreich der Führer mit dem erhobenen Schwert auf Bildern und in Legenden wirken mag, im Felde ist er eine Ente, die um den Pfeil des Jägers bettelt, indem sie laut quakt und mit den Flügeln schlägt. Selbst eine verirrte Klinge der eigenen Leute könnte dich treffen, und wo tausend tote Soldaten den Krieg nicht beenden würden, tut es der Tod des Anführers.«
Das Ergebnis des ersten Tages war Stillstand, kein Fußbreit Xanten war unter die Kontrolle der Angreifer gelangt. Für nichts hatte Siegfried fast jeden zehnten Mann geopfert, und für nichts war ein Viertel der Xantener Truppen gefallen.
Am zweiten Tag verlor Siegfried siebentausend Männer, Xanten jedoch nur zweitausend. Der Lohn des mannigfachen Todes war die Einnahme der Grenzposten und der erste wirkliche Schritt auf feindlichen Boden. Herrschte Siegfried auch nicht über die Burg – sein Feldherrnzelt war in der Erde seiner Vorfahren verankert. In der Ferne sah er einmal den Wolf, den er einst auf dem Weg nach Burgund gerettet hatte. Das Tier hielt respektvollen Abstand, wich dem Gemetzel aus, als wisse es die leichte Beute nicht zu schätzen.
Die Xantener waren im Vorteil, denn sie konnten warten. Heranstürmen mussten Siegfrieds Krieger, und darin lag immer die Gefahr. Außerdem kannten Wulfgars Soldaten jene Stellen, an denen leicht ein Hinterhalt zu legen war, an denen hundert Bogenschützen ungesehen auf den Feind zielen konnten. Das Söldnerheer entdeckte diese Orte nie ohne grausame Verluste.
Die ersten Dörfer,
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