Die Rache Der Nibelungen
Tat, den Mörder Wulfgars zu richten, ändert nichts daran, dass du für Xanten allemal ein Feind bist.«
»Ich bin der Erbe!«, hielt Siegfried ärgerlich dagegen. »Mein Großvater war der geliebte Siegmund, meine Mutter die nicht weniger geliebte Kriemhild.«
»Doch gekommen bist du als Eroberer«, widersprach Xandria. »Das Volk
weiß
noch nicht einmal von deinem Anspruch!«
»Dann werde ich es ändern«, sagte Siegfried entschlossen. »Morgen verkünden wir, von wessen Blut ich bin.«
»Verkünden kannst du, was immer dir beliebt«, gab Xandria zu. »Doch warum sollte auch nur eine Xantener Seele dir glauben? Den Namen Siegfried hast du selber dir gegeben, und für die Menschen hier bist du der Sohn des Isländer Königs, der auf Rache und Besetzung sinnt.«
Siegfried erkannte, dass Xandria recht hatte – das Land politisch zu erobern, die Herzen der Menschen durch das Erbe zu gewinnen, das war ihm nicht eingefallen. Doch es war geschehen, was geschehen war. Er konnte schlecht Haus um Haus aufsuchen, um im persönlichen Gespräch die Bürger zu überzeugen, dass er war, wer er vorgab zu sein.
»Was denkst du?«, flüsterte Xandria, in Sorge über den grübelnden Prinzen.
»Dass es gilt, meinen Anspruch auch zu beweisen«, sagte Siegfried düster. »Ich weiß noch nicht, wie das geschehen soll, aber ich werde einen Weg finden.«
Sie küsste ihn auf die Nasenspitze. »Darauf vertraue ich.«
Er sah in ihre Augen. »Glaubst
du
mir, dass ich Siegfried bin, der rechtmäßige Erbe von Xanten?«
Xandria lächelte. »Mich hast du längst überzeugt. Überzeuge noch das Volk – und Xanten wird dir ebenso gehören wie mein Herz.«
Siegfried gab sich redlich Mühe, die Enttäuschung der nächsten Tage zu verheimlichen. Er hatte alles erreicht, was es zu erträumen gab – und nun stand er vor dem Thron von Xanten und konnte ihn nicht besteigen. Xan-dria hatte recht. Wie dumm war er gewesen! Natürlich war ihm bewusst, dass sein Vater der sagenhafte Held Siegfried war, doch für jeden anderen im Reich mochte das allenfalls Wahn sein, ein Fiebertraum von Macht und Größe. Sicher, das Volk mochte ihm zugejubelt haben, als er Nazrehs Leichnam in den Hof warf, doch in den Tavernen machte schon die Runde, dass der Usurpator Siegfried keinen Platz an der Seite der tapferen Königin verdiente.
Es tat weh zu sehen, dass die Dinge nun, da der Krieg beendet war, auch ohne ihn ihren Gang gingen. Das Heer der Invasoren wurde aufgelöst, und Xandria gab den Soldaten die von Siegfried versprochene Vollbürgerschaft. Die umliegenden Reiche sandten Boten mit Segenswünschen, und der Frankenherrscher Theudebald schenkte dem Hof einhundert seiner besten Pferde. So sehr Siegfried sich für Xanten freute, so sehr nagte in ihm, dass es keinen König Siegfried brauchte, dass sein Blut nicht der Lebenssaft war, der es antrieb.
Die Nächte mit Xandria, wenngleich immer noch voller Leidenschaft und heißem Verlangen, erfüllten ihn nicht mehr mit der gleichen Ekstase wie zuvor, als er noch meinte, mit der Vereinigung den letzten Schritt zum Thron zu gehen. Worüber Xandria geweint hatte in jener Nacht, dass Siegfried zurück nach Island müsse, das schien sich nun zu bewahrheiten, besonders als die Kunde kam, dass Island sich selbst befreit hatte. Siegfrieds Herz hatte vor Freude einen Sprung gemacht, als er davon erfuhr, und doch am Abend darauf viel Wein gebraucht, die Nachricht schönzutrinken.
Auch Island hatte keinen Retter Siegfried nötig!
Er war ein Held ohne Tat, ein Krieger ohne Kampf, eine Legende ohne Geschichte.
Wenigstens gab die Befreiung Islands ihm wieder eine Aufgabe. Dem Volk der Insel musste er seinen Anspruch nicht beweisen, und der Thron dort stand ihm frei. Jahre würde es dauern, das Land zu einstiger Blüte zurückzuführen, und in der langsamen Sorgfalt seiner Regentschaft konnte er noch allemal sich den Respekt verdienen, der ihm in Xanten vorenthalten wurde.
Doch damit war an ein Leben an Xandrias Seite nicht zu denken. Er würde Siegfried sein, König von Island, und sie Xandria, Königin von Xanten, weit im Süden. Vielleicht ihren Kindern würde man dereinst erlauben, die Reiche zu vereinen, doch das gegenwärtige Island hatte wenig echte Liebe für ihn übrig. Das schmerzte umso mehr, da kaum ein durchzechter Abend nicht mit Geschichten seines Großvaters endete, dem guten König Siegmund. Und Xandrias Schönheit wurde ein ums andere Mal mit der von Kriemhild verglichen, die im Lande unvermindert
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