Die Rache Der Nibelungen
suchen, die im Runenspiel nach unseren Münzen trachtet.«
»Gute Idee!«, rief Jon. »Das Spiel verspricht noch mehr Gelage, und im besten Falle erneute Schlägereien. Kaum ein anderer Weg, so viele Mannestriebe auf einmal zu befriedigen.«
»Dann lasst mich schnell das Hemd wechseln und den Geruch der Schankmagd aus den Haaren waschen«, sagte Sigurd.
»Gebt die schmutzige Kleidung der Frau des Hauses«, empfahl Jon. »Dann ist sie zum Anbruch des nächsten Tages wieder frisch.«
Sigurd nickte und verschwand im Langhaus. Gelen schüttelte langsam den Kopf. »Was unser Prinz mit der ewigen Wascherei hat, ist mir ein Rätsel. Als bekämen wir nur sauber unser Bier serviert.«
Jon zuckte mit den Schultern. »Er wäscht sich auch daheim in der Burg fast täglich, und die Hofdamen schnattern von einem Bad an jedem Vollmond. Es ist wohl die Mutter, die ihn so weibisch reinlich macht.«
»Was immer ihn glücklich macht«, knurrte Gelen und rieb sich die Hände. »Aber heute Abend suche ich mir auch eine Schankmagd. Die wird sich meine Münzen hart erarbeiten müssen.«
Jon atmete tief durch und war froh, dass er dabei seine Rippen kaum schmerzen spürte. »Wir hätten diese Reise früher machen sollen. Kaum etwas macht den Kopf freier als neuer Boden unter den Füßen.«
»Hier ist das Leben prall und saftig«, stimmte Gelen zu. »Kein Vergleich mit Island, wo ein Tag wie jeder Tag und ein Jahr wie jedes Jahr ist.«
Island starb brennend. Die Xantener, denen die Vulkanfestung mit unerschütterlicher Standfestigkeit den Einlass verwehrte, zeigten keine Absicht, die Belagerung in Ruhe abzuwarten. Von den Burgmauern konnte man bei Tage die Rauchsäulen und bei Nacht die Flammenkegel sehen, in denen die Häuser und Scheunen der Isländer vergingen. Wenn der Wind ungünstig stand, trieb er die Schreie sterbender Frauen und Kinder heran, und was an Schiffen nicht vor der Invasion den Hafen verlassen hatte, ruhte geplündert auf dem Grund des Hafenbeckens. Zum Hohn und zur Demütigung ließ Wulfgar Leichen zusammensuchen, vor der Burg auf einen Haufen werfen und anzünden. Es trieb einen beißenden Geruch von brennendem Menschenfleisch durch die Gänge und Säle. Manchmal warfen die Xantener Krieger auch Verletzte zwischen die brennenden Leiber.
Gernot sah den Untergang. Manchmal stand er an einem Fenster – nicht nah genug, dass die Xantener ihn sehen konnten, aber nah genug, um mit seinem Volk zu leiden. Das Leben jedes seiner Untertanen wäre es ihm wert gewesen, sich Wulfgar zu stellen und durch die Klinge des Feindes zu sterben. Aber seine Ratgeber hatten ihm versichert, dass es für den Xantener König keinen Unterschied machte – Wulfgar hatte ein Heer aus Söldnern verpflichtet, und diese Söldner waren mit dem Versprechen gelockt wurden, aus der Insel zu pressen, was immer sie hergab. Sie deckten sich mit Schmuck und Kleidern aus feinen Stoffen ein, nahmen die Frauen mit Gewalt, oft im Anblick der toten Angehörigen, und die älteren Krieger beschlossen mitunter, die besetzten Höfe gleich für sich zu behalten. Es war bestialisch und doch der seit Jahrhunderten gewählte Weg des Krieges.
Gernot wusste nicht, wie lange die Vulkanburg am Hang der Belagerung standhalten konnte. Es war aber auch gleichgültig, denn am Ende des letzten Tages konnte nur die Vernichtung stehen. Zumindest diese Genugtuung wollte er Wulfgar nicht geben – der Xantener sollte bei den Gelagen an seinem Hofe nicht prahlen können, mit eigener Hand die Burgunder Blutlinie ausgelöscht zu haben.
Die letzte Pflicht oblag Gernot selbst. Und irgendwie schien sie ihm kein Feind, keine hässliche Schuld. Sie war nur das stille Ziel eines langen Weges.
Als Gernot und Elsa mit dem Jungen Siegfried, der Sigurd hieß, Burgund verlassen hatten, da war es in der Erkenntnis geschehen, dass das Schicksal etwas war, dem man sich nicht beugen musste. Kriege, Rache, Opfer – all das hatten sie vermieden, indem sie aufgaben, was ihre Vorfahren für unerlässlich gehalten hatten. Gernot und Elsa hatten bewiesen, dass sie Herrscher über ihr eigenes Leben waren. Siebzehn Jahre Frieden war der Lohn gewesen.
Und nun? Nun blieb nur noch zu beweisen, dass sie auch im Tod ihre eigenen Herren waren.
Dagfinn, der König der Dänen, hatte sich wie erwartet verhalten: Er bedauerte den Angriff der Xantener auf Island, doch einzugreifen lag nicht in seiner Macht. Selbst wenn sein Heer, zu spät und sicherlich unter großen Opfern, das Land dem Wulfgar hätte
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