Die Rache Der Nibelungen
Es war kaum zu bezweifeln, dass so mancher feine Kerl, der bei seinem Weibe lag, in Leidenschaft das Gesicht der Prinzessin vor Augen hatte und ihren feinen Körper unter seinen Fingern wünschte.
Es war ein ebenso ausschweifendes wie widerwärtiges Spektakel, und die Verschwendung empörte umso mehr angesichts der Armut des Volkes vor den Toren. Doch selbst die hungernden Dörfler sehnten die Feste herbei, wurden ihnen doch an den Seiteneingängen die Reste hingeworfen, die sie gierig verschlangen.
Nur den Soldaten, deren Aufgabe es war, die Burg zu bewachen, wurde der Griff nach Wein und Bier versagt. Je sicherer man sich nach außen gab, desto hemmungsloser ließ es sich im Innern feiern.
So manch ein Zecher war schon während der Völlerei tot vom Stuhl gerutscht, einen Knochen quer im Hals oder zu viel Wein im Wanst. Es galt durchaus nicht als ehrlos, sich dem Feind Vielfraß zu ergeben, wenn er in solchen Massen angriff. Im Suff und beim Weibe starb es sich wenigstens glücklich, sagte man bei Hofe.
Und genau darauf setzte Xandria. Ihr Vater hatte ein robustes Alter erreicht, und die Welt litt mehr als vierzig Winter unter seiner Präsenz. Sein Körper trug die Wunden vieler Schlachten, und immer wieder brauchte es Blutegel und Kräuterbäder, um seine Verdauung anzuregen. Wenn so ein König am Essen sich verdarb, war kein Grund, Niedertracht zu vermuten.
Seinen Krug im Gewühle des Festsaals zu finden war nicht schwer – ließ Wulfgar ihn doch kaum je aus der Hand. Eifrige Diener schenkten nach, bevor der König sein Gesicht auf dem Boden spiegeln sah. Xandria drängte sich an den Vasallen und Ratgebern vorbei, manche schon auf den Bänken schnarchend, andere den kreischenden Hofdamen die Brüste aus den Miedern grapschend. Eine Hand kniff das Gesäß der Prinzessin – was bei Tage die Todesstrafe bedeutet hätte, war im Gewimmel der Körperteile nicht zuzuordnen. Xandria ignorierte die Unverschämtheit und suchte weiter den Weg zu ihrem Vater, in der Hand das Fläschchen mit dem Pulver, das ihn ebenso erlösen sollte wie sein Volk. Auch ohne Alkohol schlug das Herz der Prinzessin heiß, brannte im Blut ihrer Adern und färbte ihre Wangen so rot, wie es die helle Farbe ihrer Haut sonst kaum zuließ.
Sie fand Wulfgar, der gerade einer Magd, die tunlichst stillhielt, mit der Hand unter dem Rock den Hintern rieb. Die vulgäre Tat wurde nicht weniger erbärmlich dadurch, dass Xandria selbst noch die Finger eines Mannes an sich spüren konnte. Wenigstens besaß der König den letzten Rest Anstand, beim Anblick seiner Tochter von der Frau zu lassen. »Schau an, wer uns da die Ehre gibt. Seit wann feierst du?«
Seine Stimme troff vor Herablassung und trunkener Angeberei, die Xandria geflissentlich ignorierte. »Für zünftige Feste wird noch so viel Zeit sein«, sagte sie freundlich, und sie meinte es auch so. »Ich bin sicher, auch für mich findet sich beizeiten ein Grund, den Becher zu heben.«
Die gute Laune seiner Tochter missfiel Wulfgar, weil sie gänzlich ungewohnt war. Er trank, und als er seinen Kelch geleert hatte, streckte er den Arm aus, damit sein Diener nachschenken konnte. Xandria fing den großen Krug ab, als wollte sie niemanden zwischen sich und ihrem Vater haben, und schenkte Wulfgar selber ein. Die linke Hand, die dabei den Mund des Kruges stützte, hielt ebenfalls das kleine Fläschchen, und mit dem Strom des Rotweins rann das Pulver in den Kelch.
Xandria reichte den Krug weiter, und es gelang ihr, das fast leere Fläschchen in eine Falte ihrer Gürtelschlaufe zu stecken.
Es wurde still um sie herum. Zwar verstummte niemand, und auch die mittlerweile arg schräg aufspielenden Musikanten versahen weiter ihren Dienst – aber die Prinzessin hörte nichts mehr davon. Das Gelage wurde zu einer tonlosen Posse, die um sie und ihren Vater herumwogte, die Menschen eine formlose Masse aus Leibern, die in ihren Augenwinkeln verschwamm.
Es gab nur noch Xandria, Wulfgar – und den Kelch.
Sie wartete.
Der König sagte etwas zu ihr, aber sie sah sich außerstande zu antworten.
Jemand stieß Wulfgar von hinten an. Ihr Herzschlag setzte aus. Wein schwappte aus dem Kelch. Nur ein wenig. Nicht genug, die Wirkung des Giftes zu schwächen. Oder?
Der König trank.
Einen Schluck, zwei.
Dann rülpste er.
Xandria hatte das Gefühl, in Ohnmacht zu fallen.
Wieder sagte Wulfgar etwas. Als er merkte, dass seine Tochter nicht reagierte, stieß er mit der Faust gegen ihre Schulter: »He!«
Die
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