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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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machten hier Station, handelten mit Waren an den Grenzen zwischen den freien Nordreichen und den noch römisch kontrollierten Gebieten. Soldaten patrouillierten in den Straßen, und Latein war ihre Sprache.
    Doch Sigurd merkte auch, dass Worms einst mehr gewesen sein musste. Viele Gebäude zeigten Zeichen des Verfalls, die niemand mehr zu beseitigen trachtete. Manches Dach war eingeknickt, und der Hauptbrunnen am Markt war abgedeckt und versiegt.
    »Es ist noch so, wie ich es in Erinnerung habe«, sagte Nazreh, während er sich umsah, »oder zumindest fast. Die Römer sind wohl nicht mehr ganz so streng mit der Ordnung wie einst.«
    Sie fanden ein freundliches Gasthaus, in dem sie einkehrten, obwohl der Tag noch jung war. Es begann zu schneien, und da war es klug, die feuchten Mäntel zum Trocken in der Nähe eines Feuers aufzuhängen und die kalten Knochen mit einer Suppe zu wärmen.
    Die Schankstube des Gasthofs war gut gefüllt und die Laune der Männer sichtlich ungetrübt. An ihrem Tisch auf Speisen wartend, spitzten Sigurd und Nazreh die Ohren, wie es sich an solchen Orten immer lohnte. Die Händler sprachen von den Waren, die sie zu veräußern hatten, und tauschten gegenseitigen Rat, um böse Überraschungen in allen vier Himmelsrichtungen zu vermeiden. Römer wurden genannt, ebenso Franken und Sachsen – doch Streit kam nicht auf. Man hatte wenig Interesse, sich durch politisches Gerede die Geschäfte zu gefährden, und es mochten Spitzel hier ihr Bier trinken, die sogleich den Kommandanten benachrichtigten, was getratscht wurde. Auch Island war kein Thema. Weit im Süden war das Schicksal der Insel von so wenig Belang, dass es Sigurd schmerzte. Dafür kam die Rede auf Xanten, und gleich wurde das Gemurmel lauter. Wie es schien, brachte der König einiges an frischem Gold in die Welt, und wer exotische Waren zu bieten hatte, konnte trotz der Armut des Reiches auf guten Profit hoffen.
    Sigurd wusste, dass das Gold Wulfgars das Gold Islands war, und es erinnerte ihn daran, welcher Gedanke ihn so weit getragen hatte.
    Ein Wirt in lederner Schürze trat heran und setzte zwei schwere Krüge mit dunklem Bier vor den Neuankömmlingen auf den Tisch. »Das erste Bier geht aufs Haus. So ist's Brauch hier in Burgund.«
    Sigurd und Nazreh nickten dankbar. Der Prinz von Island klopfte mit seinem Finger neugierig gegen den Krug. »Das ist kein Kelch, wie ich ihn kenne.«
    Der Wirt lachte. »Wenn ihr aus dem Norden kommt, so mögt ihr metallene Kelche gewohnt sein. Hierzulande trinkt man aus Krügen, die aus fester Erde gebrannt werden. So echt wie das Bier.«
    Sie stießen an, und einen tiefen Zug später waren sie Freund mit dem Krug wie mit dem Bier. »Süffig«, lobte Sigurd. »Mir scheint, Worms ist ein guter Ort für Menschen mit Lebensfreude.«
    Der Seitenblick von Nazreh verriet, dass er Sigurds Versuch, den Wirt zur Plauderei zu locken, guthieß.
    Der Wirt biss an und setzte sich zu den Neuankömmlingen. »Das will ich meinen. Seit vier Generationen lebt meine Familie hier. Nicht immer einfach. Aber reich an Geschichten.«
    Er hob die rechte Hand – an einer Kette um das Gelenk baumelte ein kleines weißes Stück Knochen. »Das hier zum Beispiel ist aus dem Kiefer des furchtbaren Drachen Fafnir. Kennt ihr die Geschichte?«
    Sigurd mühte sich, ein Lächeln zu unterdrücken, während er Nazreh unter dem Tisch mit dem Bein anstieß. »Nein, aber wir würden gerne davon hören.«

    Das Vollmond-Fest unterschied sich nicht von den vielen anderen Festen, die am Hofe von Xanten gefeiert wurden. Der Anlass mochte sich ändern, doch der Ablauf war immer der Gleiche – Fraß und Tanz, Prahlerei und Hurerei. Dazu Musik und derbe Scherze. Und wenn die Fackeln gelöscht wurden, hörte der Spaß noch lange nicht auf. Xandria hatte immer vermutet, dass alle Kinder bei Hofe in derselben Woche geboren würden, wenn man nur einmal im Jahr das Gelage hielt. Keine Steinmauer konnte das Stöhnen und Grunzen aus den Gemächern und düsteren Ecken übertönen. Mägde und Hofdamen waren in diesen Nächten so sehr Beute wie der Ochse am Drehspieß.
    Nur Xandria hatte ihre Ruhe. Als Prinzessin konnte es keiner wagen, ihr zu nahezutreten, wenngleich mancher Soldat ihr heiße Blicke hinterherwarf. Ihre wilde Schönheit machte sie ebenso begehrt wie ihre offensichtliche Unberührtheit. Ihre Unschuld war ein Preis, um den jeder Mann bei Hofe gerne gekämpft hätte. Und doch war niemand da, der sich vom Stande her Hoffnungen machen durfte.

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