Die Rache Der Nibelungen
ein.
»Meinen Glauben an die Götter mag ich verloren haben«, sagte Nazreh und lächelte, »aber in diesem Moment würde ich ihnen fast danken wollen.«
Sigurd nickte und deutete schwach auf die Wunde an seinem Bein. »Deine gute Flickarbeit musste ich zunichte machen, leider. Ich hoffe, du hast Nadel und Faden aus Britannien mitgebracht.«
Nazreh erlaubte sich einen Blick in den Umhang, den Sigurd als Beutel hinter sich her geschleift hatte. Er pfiff durch die beiden Zahnlücken. »Wie es aussieht, können wir in Worms kaufen, was wir brauchen. Und was wir nicht brauchen. Und die Stadt gleich dazu.«
Sigurd hustete. »Wir sollten das Gold verstecken, bis wir uns auf den Weg machen. Solange keine Soldaten unseren Schatz hüten, ist jeder Neider eine Gefahr.«
Zwei, drei Goldstücke steckte Nazreh in seinen Beutel. »Zumindest bezahlen wir dir ein heißes Bad, ein gebratenes Schwein und eine scharfe Klinge für den Bart.«
Sigurd fuhr sich mit der Hand über das Gesicht – er hatte sich noch nie einen Bart stehen lassen, und er konnte schwer einschätzen, welche Zeit ihn hatte wachsen lassen. »Wie lange ... wie lange war ich fort?«
»Fast zwei Monate.«
Nazreh sagte es mit einer Gleichmut, als hätte er von zwei Tagen gesprochen. Sigurds Augen wurden groß. »Zwei Monate? Und du hast gewartet?«
Der Araber hob die Schultern. »Dann und wann bin ich für Proviant nach Worms gegangen und habe mir die Füße gewärmt.« Er deutete auf eine Feuerstelle. »Des Nachts habe ich geschrieben. Nun, da ich deinen wahren Namen kenne, mussten viele Teile der Geschichte neu interpretiert werden. Die alten Seiten nutzte ich, um das Feuer zu entfachen.«
Nichts in Nazrehs Stimme verriet, dass er Respekt odergar Dank erwartete, und Sigurd empfand beides umso stärker. »Zeit ist bedeutungslos«, sagte er.
Sie warteten noch eine halbe Stunde, bis Sigurd sich stark genug fühlte, um auf Nazreh gestützt den Weg nach Worms anzutreten. Den Beutel mit dem Gold versteckten sie unter den Wurzeln eines ausladenden Baums. Kein großartiges Versteck, aber nachdem niemand den Wald zu betreten wagte, schien es sicher genug.
Die ersten Katen schälten sich bereits aus dem Dämmerlicht des Abends, als Sigurd etwas auffiel. »Du hast mich nicht gefragt, was ich im Wald der Nibelungen erlebt habe.«
Nazreh sah stur weiter nach vorn, auch er mittlerweile erschöpft. »So viele Abende, an denen du mir davon berichten kannst – warum sollte ich dich jetzt drängen?«
Doch Sigurd wollte davon erzählen. »Ich habe das Gold – und mehr. Das Schwert meines Vaters.«
»Den Nibelungen kann das nicht gefallen haben«, vermutete Nazreh.
Sigurd schüttelte den Kopf. »Gewiss nicht. Aber das Gold ist mein, das mussten sie einsehen. Und auch das Schwert meines Vaters gehört zum Erbe.«
»Dann ist es wohl an der Zeit, dem Erbe sein Recht zu geben«, sagte Nazreh.
»Was meinst du damit?«, wollte Sigurd wissen.
Sie hatten Worms erreicht, und es waren nur noch wenige Schritte zur Herberge, in der sie ausruhen konnten.
»Als Sigurd von Island bist du aufgewachsen, doch Xanten wird nun dein Ziel sein. Den Namen Siegfried, hinter dem du dich versteckst, hast du bei deiner Taufe feierlich erhalten.«
Sigurd dachte darüber nach. »Als Erbe meines Vaters, meines wahren Vaters ...«
»Bist du Siegfried, Sohn von Siegfried, Erbe von Xanten und Island.«
Der Prinz nickte entschlossen. »Dann sei es von heute mein rechter Name. Siegfried, Sohn von Siegfried, Erbe von Xanten.«
Es hörte sich gut an. Richtig.
Nicht nur für ihn.
Auch für den Wolf.
4
Die Schlacht ohne Sieg
V on dem Moment an, da Siegfried und Nazreh in Worms die erste Goldmünze ausgegeben hatten, waren sie nicht mehr allein gewesen. Reichtum schuf sich seine Freunde, auch wenn die beiden Gefährten sorgsam in der Wahl der Helfer waren. Es war die Zeit für Planung und Verwaltung, die Siegfried langweilte und in der Nazreh erstaunliches Geschick bewies. Die Herberge wurde ihr alleiniges Quartier, das sich nach und nach mit Männern in ihrem Sold füllte. Bald waren die Zimmer in Worms belegt, die Ställe ebenso, Zelte wurden aufgezogen, Unterstände errichtet.
Zuerst hatten sie einige Soldaten als Leibwachen angeheuert. Zwar fühlte sich Siegfried einer Attacke gewachsen, aber noch war ihnen jedes Pack allein durch Überzahl gefährlich. Die römischen Schatzmeister von Worms, denen auch das Banken- und Steuerwesen der Region unterstand, fanden sich gegen Beteiligung
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