Die Rache Der Nibelungen
Aufstellung eines Heeres nicht wert, und ein Eroberer hätte beizeiten freie Passage durch Xanten angefragt. Sein eigenes Land hatte Wulfgar gut im Griff, und niemand machte es ihm streitig.
Es musste wohl Sachsen sein, wo sich die Söhne des verstorbenen Königs um die Macht balgten. Ein guter Moment, um zuzuschlagen – die Truppen wussten nicht einmal, auf welchen Herrscher sie zu hören hatten. Wulfgar ärgerte es fast ein wenig, dass er nicht auf die Idee gekommen war. Trotzdem – Sachsen war zumindest zuverlässig gewesen. Der neue König mochte von einem anderen Schlag sein.
Aber für Kriege war immer noch genug Zeit. Der Feldzug gegen Island lag kaum ein halbes Jahr zurück, und Wulfgars Magen vertrug kaum mehr als weich gekochten Kohl, seit diese dumme Hoffrau ihn hatte vergiften wollen. Den Gedanken an seine Tochter in diesem Zusammenhang vermied er, denn er wollte sich nicht wieder sinnlos aufregen.
Trotzdem rief er Xandria zu sich. Es gab große Politik zu machen, nicht auf dem Schlachtfeld der Kriege, aber auf dem Schlachtfeld der Liebe.
Schlachtfeld der Liebe. Wulfgar grunzte bei dem Gedanken. Mit Liebe hatte die Heirat, die er für seine Tochter im Auge hatte, gewiss nichts zu tun. Im Gegenteil – er wünschte ihr einen harten Prinzen, der sie täglich zu Disziplin und Respekt prügelte. Sie hatte das Zeug zu einer guten Königin, wenn man ihr erst mal ihre Sturheit ausgetrieben hatte. Doch sie davon zu überzeugen, das würde ein schweres Stück Arbeit ...
Als die Prinzessin den Thronsaal betrat, schickte Wulfgar seine Ratgeber hinaus. Er hatte keine Angst vor seiner Tochter. Selbst wenn sie einen Dolch im Gürtel trug, er konnte sie allemal erwürgen, bevor ihre Hand den Schaft fand.
»Vater«, sagte Xandria. Es lag nichts in der Stimme – keine Freude, keine Furcht, keine Wut.
Wulfgar hatte gelernt, die Gefühle seiner Tochter so gut zu lesen wie die aller anderen Höflinge, doch in den letzten Wochen hatte sich etwas verändert. Xandria war verschlossener geworden, ohne daran zu leiden. Sie war – glücklich?
»Xandria«, knurrte Wulfgar. »Tritt näher heran.«
Er sagte es nur, weil er wusste, dass sie seine Nähe verabscheute. Es war eines der vielen Spiele, die er gerne spielte. Und Xandria gehorchte.
»Ihr wünscht?«
»Es ist Frühling«, begann der König, »und bald siebzehn Jahre wirst du sein. Zu alt schon für so manchen Thronfolger, der beabsichtigt, sein Reich durch viele Kinder zu festigen.«
»Ja, Vater«, antwortete sie auf die Frage, die er nicht gestellt hatte.
»Im Süden braut sich etwas zusammen – ein Heer auf dem Gebiet der Römer, bezahlt mit Gold, und an der Spitze steht ein Krieger.«
»Schon wieder Krieg?«
Wulfgar schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Doch erinnert es uns daran, stets Allianzen zu schmieden und uns das Wohlgefallen der Mächtigen zu sichern.«
»Dann solltet Ihr die Boten ausschicken, um königliche Freier einzuladen«, schlug Xandria vor. »Xanten kann ein Bündnis des Blutes gut gebrauchen.«
Wulfgar hatte eine Entgegnung für jeden patzigen Widerspruch seiner Tochter parat gehabt – der willigen Zustimmung wusste er nichts entgegenzusetzen.
Xandria –
wollte
heiraten?
»Deine Vernunft in dieser Sache ist ... erfreulich«, murmelte der König. »Erfreulich, wenn auch gleichermaßen verdächtig.«
Xandria lächelte, ohne sich die Mühe zu machen, dabei ehrlich auszusehen. »Ich bin sicher, der richtige Prinz wartet auf mich. Und er sollte eine Gelegenheit bekommen, vorstellig zu werden.«
Wulfgar nickte. »Wenn du mich nicht zum Gespött machst und noch was auf deine mageren Knochen bekommst, dann mag ein kluges Bündnis dabei entstehen. Der Sohn des Hauses Kastilien bringt gleich viel Macht wie Schätze ein. Wenn du einen Araber freist, könnte uns das die Handelswege an den Rand der Welt öffnen. Gewürze, Seide, edle Steine – dann machte es endlich mal Sinn, die Flotte zu vergrößern.«
Xandria senkte demütig den Blick. »Was immer Euch gefällt.«
Wulfgar zog die Augenbrauen zusammen – diesen Satz hatte er noch nicht einmal von seiner Tochter gehört, als sie noch ein Kind gewesen war und jede Ohrfeige fürchtete. »Du weißt, dass ich nicht scherze, richtig?«
Die Prinzessin nickte.
»Und dass kein ungebührliches Benehmen angesichts der Prinzen dich aus deiner Verpflichtung rettet?«
Die Prinzessin nickte wieder.
»Geh mir aus den Augen!«, bellte er.
Ohne große Eile verließ Xandria den Saal, und die Ratgeber
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