Die Rache Der Nibelungen
das frische Wasser seine Gedanken kühlen konnte. Viel Zeit hatte er nicht. Sein Körper war zittrig und schwach, und es lag Arbeit vor ihm.
Der Prinz bemerkte einige Gegenstände, die sorgsam am Brunnen ausgelegt waren. Da war eine Art Kappe und ein Kelch mit dickem Saft, der Blut sein mochte. Ein Mantel, ein Dolch, eine Krone.
Ein Ring.
Nimm sieee diiir ... nimm sieee diiir ... nimm sieee diiir
...
Die Nibelungen versuchten es nun mit Säuseleien, boten ihre Waren wie die Händler auf dem Markt an. Sigurd war nicht so töricht, darauf hereinzufallen. »Was immer eure Magie auch bietet – kein Preis wird heute mehr bezahlt. Ich nehme nur, was mein ist. Das Gold. Nicht mehr ...«
Seinen schmutzigen Umhang breitete er auf dem Boden aus und schaufelte mit beiden Händen Gold darauf. Gerade so viel, dass er es hinter sich her schleifen konnte. Genug, um ein Heer zu bezahlen, das Wulfgar und Xanten herausfordern konnte.
Immer wieder flüsterten die Nibelungen in sein Ohr, lockten ihn mit Versprechen von wundersamen Fähigkeiten, wenn er nur die richtigen Gegenstände nahm. Er hörte nicht auf sie.
Aus dem Chor löste sich eine einzelne Stimme, klar und ruhig. Sie hallte nicht, und keine Boshaftigkeit schwang in ihr mit.
Wenn du willst, was dein ist, nimm das Schwert
.
Sigurd hielt inne. Hatte der Wolf vor der Höhle gerufen?
Wenn du willst, was dein ist, nimm das Schwert
.
»Ich habe kein eigenes Schwert«, murmelte Sigurd und ärgerte sich schon, dass er sich zum Gespräch verführen ließ. »Und von den Nibelungen will ich keines.«
Nothung, das Schwert, ward von Siegfrieds Hand geschmiedet
...
Nun horchte Sigurd auf. Das Schwert seines Vaters? Er sah sich vorsichtig um, und tatsächlich – hinter dem Brunnen, auf einem Stück alten Leders, lag ein prächtiges Schwert.
Es war zerbrochen. In zwei Teile.
Trotzdem wollte Sigurd es besitzen. Er
musste
es besitzen. Flink schlug er es in das Leder und legte es zu dem Gold, das er gesammelt hatte.
Das Schweeert ... das Schweeert ... dasschwertdasschwert-dasschwert
...
»Ich habe sonst nichts von ihm«, verteidigte sich Sigurd. »Und wenn er es selbst geschmiedet hat, dann steht es euch nicht zu.
Ich
bin sein Sohn und Erbe.«
Er packte den Umhang an den Ecken, und klirrend fand sich das Gold in einem groben Beutel, den er hinter sich her ziehen konnte. Dazu nahm er eine handgroße schwarzgrüne Schuppe, die auf dem Boden lag. »Kein besserer Beweis, dass ich in der Höhle des Drachen war.«
Die Stimmen der Nibelungen wurden nun wieder undeutlich und vermischten sich mit dem Pfeifen im Wind. Anscheinend gaben sie ihr Bestreben auf, Sigurd von seinem Besitz fernzuhalten. Die Blutlinie der wahren Herrscher von Xanten hatte sie erneut bezwungen.
Der Weg aus der Höhle war beschwerlich, und Sigurds zitternde Beine versagten ein ums andere Mal die Gefolgschaft. Auch die Magie der Nibelungen hatte ihren Anteil – immer wieder führte der Gang ins Nichts, teilte sich, um dann wieder im Kreis auf sich selbst zu führen. Doch es war nur müde Gaukelei, und nach einigen Stunden sah der Prinz das helle Licht des Tages vor sich.
Vor der Höhle legte Sigurd eine Rast ein. Es war kalt, und der vormals frische Schnee war über die Tage mit einer Eiskruste überzogen worden und vielfach schmutzig. Er fragte sich, wie lange er nun im Wald der Nibelungen gewesen war.
Es raschelte hinter ihm. Sigurd drehte sich um und sah über dem Höhleneingang den Wolf sitzen, der ihn eindringlich ansah.
Der Prinz ließ den Beutel mit dem Gold los und kniete sich auf den Boden, den Kopf in Ehrfurcht gesenkt. »Mein Freund, ohne dich wäre ich im Traum der Nibelungen gefangen geblieben. Mein Dank währt ewig.«
Der Wolf knurrte, als gefalle ihm der Schwur nicht. Dann drehte er sich um und verschwand im diesigen Wald.
»Ein fetter Hase wäre dir wohl lieber gewesen«, meinte Sigurd lachend und machte sich auf den Weg.
Es war ein langer Marsch, der durch das Gewicht des Goldes nicht gewann. Immer wieder musste Sigurd den Sack mit den Kostbarkeiten hochwuchten, um Stämme und breite Wurzeln zu überwinden, und immer öfter gaben dabei seine Beine nach. Der Winter forderte ihn kaum weniger als die Macht der Nibelungen. Die letzten Meter aus dem Wald kroch er mehr, als er ging.
Sigurd fand Nazreh auf einem Baumstumpf sitzend, an fast derselben Stelle, an der er ihn verlassen hatte. Der Araber sprang ihm sofort bei, hüllte ihn in den eigenen Mantel und flößte ihm etwas Wasser
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