Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache Der Wache

Titel: Die Rache Der Wache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
Sie war weder zugesperrt noch verriegelt. Das erschreckte ihn. Er holte den Dolch aus dem Gürtel und stieß die Tür ganz auf. Der Geruch von Räucherwerk, Gewürzen und Parfüms schlug ihm entgegen. Er trat ein und schloß leise die Tür hinter sich. Gedämpftes Licht fiel durch eine milchige Pergamentfensterbespannung und verlieh den Dingen Farbe: einem mit rostroter Seide überzogenen Diwan, verstaubten Vorhängen, Haufen von Kleidungsstücken und allem möglichen anderen.
    Flügel flatterten. Mradhon wirbelte herum und duckte sich, doch was er sah, war lediglich ein großer schwarzer Vogel, der an ein Sims an der Türwand gekettet war. Sein Herzschlag beruhigte sich. Er richtete sich auf. Er hätte das Tier riechen müssen. Jeder im Hausinnern gefangengehaltene Vogel, vor allem von dieser Größe, strömte einen eigenen Geruch aus — aber Parfüm und Räucherwerk überlagerten ihn. Er schenkte dem Vogel keine weitere Beachtung, sondern betrachtete den Tisch mit der Brokatdecke, auf dem alles mögliche herumlag, was nur einer Frau gehören konnte.
    Die Eingangsstufen knarrten. Von plötzlicher Angst ergriffen, schaute er sich um und huschte mit dem blanken Dolch in der Hand in die Schatten an den Wänden. Die Schritte erreichten die Tür. Der Vogel rührte sich und schwang die Flügel, als die Tür sich öffnete.
    Zunächst waren nur die Umrisse einer schwarzgekleideten Gestalt zu sehen. Die Dame wandte sich ohne Zögern in seine Richtung, erschrak weder über seine Anwesenheit noch über den Dolch in seiner Hand, sondern schloß die Tür hinter sich, hob einen Arm und warf die Kapuze von einer Fülle mitternachtschwarzen Haares, die ein ernstes Gesicht umrahmten, zurück. »Mradhon Vis«, sagte sie ruhig. Sie gehörte in die Dunkelheit dieses Raums, zu all diesen schönen alten Dingen hier. Es war schier unvorstellbar, daß sie je durch Sonnenschein spaziert war.
    »Hier bin ich, Lady«, rief er.
    »Ischade heiße ich«, entgegnete sie. »Seht Ihr Euch in meiner Wohnung um?«
    »Der Mann, mit dem Ihr vergangene Nacht zusammenwart — er ist tot!«
    »Ich habe es gehört, ja.« Die Stimme war undeutbar und kühl. »Wir trennten uns. Traurig. Ein hübscher Junge.« Sie trat in den schwachen Schein des Pergamentfensters, nahm ein Räucherstäbchen aus einer Drachenvase und stellte es neben ein anderes, das bereits mit bleichem Rauch niederbrannte. Jetzt wandte sie sich wieder Vis zu. »Ich habe einen Auftrag für Euch. Ich nehme an, Ihr seid nicht zimperlich.«
    »Selten.« »Es wird sich lohnen. Gold. Und vielleicht — ein weiterer Auftrag.«
    »Ich scheue nicht so leicht vor etwas zurück.«
    »Das hoffe ich.« Sie ging auf ihn zu. Er erinnerte sich des Dolches und schob ihn hastig ihn die Hülle zurück. Ihre Augen folgten seiner Bewegung und blickten zu ihm hoch - ernst, so unendlich ernst. Vornehme Damen, wie er einigen begegnet war, wichen dem Blick eines Mannes aus, doch ihre Augen hielten seine fest, und er war es, der wegsehen wollte. Sie streckte eine Hand aus, berührte ihn fast. Eine Geste, die er als Aufforderung betrachtete, selbst etwas zu tun.
    Doch schon hatte sie die Hand zurückgezogen, und der Moment war verflogen. Sie trat zu dem Vogel und gab ihm ein Stück Futter aus einer Schale in der Nähe des Simses. Das Tier nahm es und schlug mit den Flügeln.
    »Was habt Ihr vor?« erkundigte sich Vis, ein wenig verärgert, weil sie sich mit allem anderen beschäftigte, wo doch so viel auf dem Spiel stand. »Etwas Ungesetzliches, nehme ich an.«
    »Es könnten sich mächtige Feinde einmischen. Aber ich kann Euch gleichermaßen mächtigen Schutz zusichern. Und die Belohnung. Sie natürlich auch.«
    »Wer soll sterben? Jemand — wie der Junge vergangene Nacht?«
    Sie schaute sich um, hob eine Augenbraue, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Vogel zu und streichelte das schwarze Gefieder mit dem Zeigefinger. »Priester, vielleicht. Beunruhigt Euch das?«
    »Nicht übermäßig. Ich frage mich bloß ...«
    »Das Risiko gehe ich ein, genau wie ich die Folgen trage. Ich brauche lediglich jemanden, der mir die körperlichen Schwierigkeiten abnimmt. Ihr dürft mir glauben, ich weiß, was ich tue.«
    Es roch nach mehr als nur Räucherwerk. Plötzlich hing noch etwas anderes in der Luft — Zauberei! Er hatte es bereits geahnt, nachdem er zwei und zwei zusammengezählt hatte, obgleich es nicht das war, was man — überall erwartete, doch hier war es so. Im Labyrinth wurden Verbrechen auch auf diese,

Weitere Kostenlose Bücher