Die Rache Der Wanderhure
einzudringen«, wandte Isabelle de Melancourt lächelnd ein. »Übrigens stimmt diese Karte nicht mehr, denn der Machtbereich der Hussiten ist mittlerweile um einiges größer geworden. Sie überfallen bereits große Landstriche in Sachsen, Baiern und Österreich. Dieser Teil hier wurde bereits Fürst Vyszo übertragen. Er soll nun mit seinem Heer Sokolny für die Hussiten erobern und dann auf Nürnberg vorstoßen. Noch hält der böhmische Graf ihn auf. Falls es Vyszo nicht gelingt, Sokolny auf seine Seite zu ziehen, wird er ihn früher oder später überrennen, und dann steht den Hussiten der Weg nach Nürnberg offen.«
Sigismund stöhnte auf. »Wenn sie diese Stadt erobern, zerbricht das Reich!«
Isabelle de Melancourt fühlte seine Verzweiflung. Der König sah sich einer Hydra gegenüber, der mehr Köpfe nachwuchsen, als er abschlagen konnte. Ausgerechnet in dieser schwierigen Situation versagte ihm der Papst die Kaiserwürde, mit der es ihm möglich gewesen wäre, Druck auf die Herzöge und großen Reichsfürsten auszuüben, so dass diese ihn gegen die Hussiten unterstützen mussten. Solange er nur den Königstitel trug, war er nicht mehr als der Erste unter Gleichen und besaß im Grunde keine wirkliche Macht.
Nachdenklich streifte die Äbtissin ihre Haube zurück und schüttelte ihr wie Bernstein schimmerndes Haar aus. »Eines solltet Ihr bedenken, Euer Majestät: Vyszo kämpft für die Ideen des Jan Hus, der die Verderbtheit der Kurie und der Geistlichkeit angeprangert hat und dafür auf dem Scheiterhaufen sterben musste. Papst Martin hingegen will nichts an den Zuständen ändern, die die Reinheit des christlichen Glaubens belasten, und maßt sich Rechte an, die der Heiland ihm und seinen Vorgängern niemals verliehen hat.«
Dieser ketzerische Ausspruch ließ Sigismund nach Luft schnappen. »Ihr zweifelt die Rechte des Papstes an?«
Isabelle de Melancourt nickte mit ernster Miene. »Der Papst will einen Glaubenskrieg, um seine Macht zu erhalten und weiter ausbauen zu können. Für ihn seid Ihr nur ein Mittel zu diesem Zweck. Vyszo hingegen kämpft für die Freiheit des Geistes. Bedenkt, dass er keiner der fanatischen Taboriten ist, sondern ein Angehöriger jener Gruppe, denen die Forderungen der radikalen Hussiten zu weit gehen. Vyszo ist ein Kalixtiner, ein Kelchbruder, und dürfte einem Waffenstillstand, vielleicht sogar einem Bündnis nicht ganz abgeneigt sein. Er braucht keinen Papst, aber vielleicht einen Kaiser, der ihn gegen Prokop und dessen fanatische Taboriten unterstützt. Noch halten die beiden Flügel der Hussiten zusammen, aber das kann sich schon bald ändern.«
»Ihr habt eine noch geschmeidigere Zunge als früher«, antwortete Sigismund mit einem freudlosen Auflachen.
»Wollt Ihr Kaiser eines geeinten Reiches werden oder nicht? Papst Martin wird Euch niemals dazu machen!«, gab Isabelle zurück.
»Damit habt Ihr wahrscheinlich recht. Selbst wenn es mir gelingt, die Hussiten zu besiegen, wird er neue Ausflüchte finden, um mich zu demütigen«, erwiderte Sigismund missmutig.
Dann wurde sein Blick lauernd, und er dämpfte seine Stimme. »Was ratet Ihr mir?«
»Verhandelt!«
»Mit wem?« Obwohl Sigismund ein erfahrener Herrscher war, wirkte er ungewohnt ratlos.
Isabelle de Melancourt begriff, dass sie ihn in eine ihr genehme Richtung leiten musste, aber sie wusste auch um die Gefahr, in die sie dabei geraten konnte. Wenn sie weitersprach, betrat sie einen Weg, der der Balance auf einer scharfen Klinge glich. Ging etwas schief, würde Sigismund es ihr anlasten und sie bedenkenlos opfern, um sich wieder mit dem Papst versöhnen zu können. Sie trat zu der Karte und deutete auf das Gebiet der Hussiten und dann auf den weitaus kleineren Fleck Land, den Graf Sokolny unter Kontrolle hielt.
»Verhandelt mit Vyszo, mit Sokolny und mit allen, die Euren Zwecken dienlich sind, und kämpft gleichzeitig gegen sie, um ihnen zu zeigen, dass Ihr aus einer Position der Stärke heraus handelt. Wenn Euch auch nur ein Einziger von ihnen für schwach hält, werdet Ihr scheitern. Spüren sie jedoch erst einmal Eure Macht, werden sie sich Euch höchstwahrscheinlich unterwerfen.«
Sigismund hatte ihr atemlos zugehört und begann nun zu lachen. »Ihr seid eine gefährliche Ratgeberin, Isabelle! Würden der Papst oder dieser Janus Suppertur erfahren, was Ihr mir vorgeschlagen habt, wäre Euch der Scheiterhaufen gewiss.«
»Tötet mich, wenn Euch mein Rat nicht gefällt!« Isabelle stimmte in sein Lachen
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