Die Rache Der Wanderhure
ein, obwohl sie wusste, auf welch gefährliches Spiel sie sich einließ. Bislang hatte sie ihre Gesinnung tief in sich verborgen, um den Bluthunden des Papstes, wie sie dessen Inquisitoren nannte, nicht aufzufallen. Nun aber sah sie die Gelegenheit, den König auf ihre Seite zu ziehen.
Sigismund blickte sie unsicher an. »Wenn ich Euch töte, würde ich mir den Zorn Eures Ordens zuziehen!«
»Oder den Fluch des Heiligen Grals!«
Isabelle lächelte sanft, während der König eine wegwerfende Handbewegung machte. »Der Heilige Gral ist ein Ammenmärchen!«
»Seid Ihr Euch da so sicher?«, fragte Isabelle und sah zufrieden, wie Sigismund zusammenzuckte.
Die Weigerung des Papstes, Sigismund zum Kaiser zu krönen, spielte ihr augenblicklich in die Hände. Nun galt es, das Eisen, welches sie gerade ins Feuer gelegt hatte, so zu schmieden, dass es zu einer scharfen Klinge wurde, mit der sie die falschen Triebe von dem Baum des Glaubens abtrennen konnte. Dabei würde sie auch vor dem Mann nicht haltmachen, der in Rom auf dem Bischofsstuhl des heiligen Petrus saß und sich nicht nur als Stellvertreter Gottes auf Erden fühlte, sondern so tat, als sei er Gott selbst.
6.
I n Hohenstein, weit entfernt von den Intrigen der Herrschenden und doch von ihnen betroffen, schritten Marie und Hiltrud den Weg am See entlang und blieben vor einem großen Holunderstrauch stehen. Während Hiltrud ein Messer zückte und die ersten Dolden abschnitt, sah Marie ihr zu und rieb sich über die Stirn, als sei ihr eben etwas eingefallen. »Hast du den Teig angesetzt?«
Hiltrud hielt inne und schüttelte seufzend den Kopf. »Und wenn du noch so oft fragst: Ich habe ihn angesetzt. Du bist mit deinen Gedanken heute wirklich ganz woanders. So kenne ich dich gar nicht.«
Um nicht sofort antworten zu müssen, sah Marie zu Trudi hinüber, die in der Nähe des Ufers mit ihrer Strohpuppe spielte. »Komm weg vom Wasser! Sonst fällst du noch hinein«, warnte sie die Kleine und wandte sich dann mit einer heftigen Bewegung Hiltrud zu.
»Andauernd muss man achtgeben, damit dem Kind nichts passiert, dafür sorgen, dass genug zum Essen auf den Tisch kommt, und dazu noch Holunderküchlein backen, weil meinem Herrn und Gebieter, wenn er endlich von seiner langen Reise zurückkommt, danach gelüsten könnte.«
»Wenn Michel zurückkommt, gelüstet es ihn eher nach deiner eigenen Holunderblüte«, gab Hiltrud anzüglich zurück.
»In Bierteig?«, fragte Marie und begann zu lachen.
Hiltrud fiel darin ein, schnitt weitere Holunderdolden ab und reichte sie Marie, damit diese sie in den Korb legen konnte.
Plötzlich wurde sie ernst. »Denkst du manchmal an früher, an unsere Wanderschaft und die Zeit der gelben Bänder?«
Mit einem raschen Blick prüfte Marie, ob Trudi das Seeufer verlassen hatte, und sah, dass das Kind noch zu weit weg war, um ihre leise geführte Unterhaltung mithören zu können. Dann erst nickte sie.
»Ja! Manchmal denke ich daran und an all die Hurenböcke, die zu uns ins Zelt gekrochen sind, um ihre Bäuche an den unseren zu reiben. Doch diese Zeiten sind Gott sei Dank lange vorbei. Jetzt geht es uns gut!«
»Ja, das tut es«, antwortete Hiltrud, schüttelte sich dann aber und sah sinnend in die Ferne. »Weißt du, Marie, manchmal kommt mir unser jetziges Leben vor wie ein Traum. Ich habe Angst, eines Morgens in meinem Zelt aufzuwachen und wieder unter schwitzenden Soldaten zu liegen.«
»Das geschieht niemals mehr!« Maries Stimme klang wie klirrender Stahl. Auch wenn jene Zeit schrecklich gewesen war und sie oft daran gedacht hatte, ihrem Leben ein Ende zu setzen, so hatte sie mittlerweile etliche Jahre des Glücks erlebt und war nicht bereit, noch einmal jenes Schicksal zu erdulden.
»Mama, Papa kommt zurück!« Trudis Ruf veranlasste Marie, sich auf der Stelle umzudrehen. Doch als sie Ausschau hielt, ritt nicht Michel die Straße heran, sondern Soldaten in den Farben des Königs. Deren Weg führte auch nicht auf die Burg zu, sondern daran vorbei zur nächsten Stadt.
Da Trudi auf den Trupp zulaufen wollte, eilte Marie ihr nach und zog sie in die Deckung des Holunderbuschs. Sie traute den Soldaten nicht. Diese Männer waren meist übles Volk, das mehr von Diebstählen und Plündereien lebte als von ihrem Sold und auch vor Frauen der eigenen Seite nicht haltmachte.
»Wer mag das sein?«, fragte Hiltrud verwundert.
»Sigismunds Kriegsknechte! Aber wenn sie gegen die Hussiten kämpfen wollen, ziehen sie in die falsche Richtung.
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