Die Rache Der Wanderhure
Baum aufgeknüpft wurde.
Marie hörte ihm aufmerksam zu und begriff, dass sie ihn nicht zurückhalten durfte, sosehr sie sich dies auch wünschte. Sie beide waren Teil einer Welt, die sich in Bahnen bewegte, die ihr ebenso verworren wie gefährlich erschienen. Selbst der einfachste Knecht vermochte sich den Intrigen und Winkelzügen der Herrschenden nicht zu entziehen, sei es, dass er zu den Soldaten oder zum Tross geholt wurde, oder weil er in einer Gegend lebte, die vom Krieg verheert wurde. Umso weniger war Michel dies möglich, den Sigismund zum Burghauptmann von Hohenstein ernannt hatte.
»Wenn ich mich im Kampf gegen die Hussiten auszeichne, werden wir vielleicht sogar ein eigenes Lehen erhalten«, fuhr Michel fort. »Die Gelegenheit wird bestimmt kommen, denn Sigismund hat mich Falko von Hettenheims Schar zugeteilt. Der Graf ist ein Vetter des Königs und ein berühmter Krieger. Daher ist es eine hohe Ehre für mich, unter seiner Fahne dienen zu dürfen.«
Der Enthusiasmus ihres Mannes schmerzte Marie, gab er ihr doch das Gefühl, als freue Michel sich, aus ihrem friedlichen Dasein ausbrechen und etwas anderes erleben zu können. Sie schnaubte leise, schmiegte sich dann aber doch wieder an ihn.
»Komm heil zurück«, flüsterte sie.
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte er lächelnd und strich ihr über das Hinterteil. »Aber sollten wir jetzt nicht weitermachen, wo wir vorhin aufgehört haben? Immerhin werden wir uns einige Wochen lang nicht sehen!«
Bei diesem Gedanken verspürte Marie bereits den Abschiedsschmerz. Obwohl ihr selbst nicht danach war, wollte sie Michel nicht enttäuschen und setzte sich wieder auf ihn. Während sie sich langsam bewegte, sah sie, wie seine Gesichtszüge sich entspannten und er voller Liebe und Vertrauen zu ihr aufsah. So leicht aber wollte sie ihm den Abschied nicht machen.
»Du gibst auf dich acht, hast du verstanden? Trudi und ich brauchen dich noch.«
»Du kannst ruhig ein wenig heftiger werden«, stöhnte er, bequemte sich dann aber doch zu einer Antwort. »Natürlich gebe ich auf mich acht.«
»Und den Hübschlerinnen …«
»… gehe ich selbstverständlich aus dem Weg«, unterbrach Michel sie und atmete heftiger.
»… wirst du mit Respekt begegnen!«, korrigierte ihn Marie.
Michel sah seine Frau einige Augenblicke lang an und nickte. »Ich verspreche es dir!«
Dann vergaß er den König, die Hussiten und den bevorstehenden Abschied und ließ sich von seiner Leidenschaft dahintreiben wie ein Blatt auf einem rasch fließenden Bach.
9.
I n Nürnberg hatte man Michel nicht sagen können, wann genau Hettenheim mit seiner Schar nach Hohenstein käme und er sich ihm anschließen könne. Daher leitete er in den nächsten Tagen alles Notwendige in die Wege, damit Marie geraume Zeit in der Lage war, die Burg allein zu verwalten. Obwohl er ihren starken Willen kannte, wollte er sie nicht ohne männlichen Schutz zurücklassen und lehnte daher Thomas’ Angebot, ihn zu begleiten, entschieden ab.
»Du wirst hierbleiben und Marie helfen!«, erklärte er ihm und sah Hiltrud aufatmen. Sie war froh, dass ihr Mann nicht gegen die Hussiten ziehen musste, denn sie hatte vom Pfarrer zu viel Schreckliches über die Aufständischen gehört.
Thomas war einst Michels Untergebener bei den Scharen des Pfalzgrafen am Rhein gewesen und kämpfte nun sichtlich mit seinen Gefühlen. »Hohenstein liegt weit genug von den Hussitengebieten weg und wird kaum in Gefahr geraten. Daher wäre es besser, ich würde mit dir kommen. Du brauchst einen Knappen oder wenigstens einen Stallburschen.«
»Mein Pferd kann ich immer noch selbst striegeln, oder ich zahle dem Knecht eines anderen Ritters einen Becher Wein, damit er es für mich tut. Nein, Thomas, du bleibst hier und sorgst dafür, dass Marie und Trudi ohne Sorgen auf Hohenstein leben können. Das ist mir mehr wert als dein Schwertarm an meiner Seite.«
Marie verfolgte das Gespräch zwischen den beiden Männern und hing dabei ihren eigenen Gedanken nach. Um mit den Knechten und Mägden auf Hohenstein zurechtzukommen, brauchte sie Thomas nicht. Außerdem war da noch Hiltrud. Wenn deren Mann hier zurückblieb, würde Michel allein mit Leuten reiten müssen, die er nicht kannte. Ob die ihm im Falle eines Kampfes mit dem Feind so zur Seite stehen würden wie sein alter Freund und Waffengefährte, bezweifelte sie. Da sie jedoch in Hiltruds Augen die Angst las, allein bleiben zu müssen, verkniff sie sich jeden Einwand und zupfte ihre
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