Die Rache Der Wanderhure
Freundin am Ärmel.
»Was meinst du, wollen wir zum See gehen und nachsehen, ob noch Dolden an den Holunderbüschen wachsen? Vielleicht können wir heute Abend wieder Küchlein machen«, schlug sie vor.
»Das ist ein ausgezeichneter Gedanke«, stimmte Michel ihr zu. »Die Holunderküchlein, die Hiltrud und du backen, sind die besten der Welt.«
»Also los!« Marie warf ihrer Freundin einen auffordernden Blick zu und nahm einen Korb.
Nach einem kurzen Zögern griff Hiltrud sich ein Messer und trat zur Tür. Dort wandte sie sich noch einmal um. »Lass dich nicht von Thomas beschwatzen, ihn doch mitzunehmen, Michel. In einer Zeit wie dieser sollten Frauen nicht allein zu Hause bleiben.«
»Keine Sorge, Hiltrud, mein Entschluss steht fest. Ich werde Thomas hierlassen, und wenn ich ihm eine Wunde beibringen müsste, so dass er nicht mitkommen kann.« Michels Lächeln nahm seinem letzten Satz die Schärfe, doch sowohl Marie wie auch Thomas begriffen, dass es ihm vollkommen ernst damit war.
»Komm, Hiltrud, wir gehen. Wo ist Trudi?«
Marie hatte kaum ihren Namen erwähnt, da sauste ihre Tochter um die Ecke. Sie hielt ihre neue Strohpuppe in der Hand und sah ihre Mutter mit leuchtenden Augen an. »Ich habe mir die beiden Zicklein angesehen, die in der Nacht geboren worden sind. Sie sehen genauso aus wie ihre Mama! Nur dass sie noch keine Hörner haben.«
»Die wachsen ihnen schon noch, wenn wir sie nicht vorher schlachten und essen«, erklärte Hiltrud, deren Laune sich bei der Erwähnung der Tiere wieder gebessert hatte.
Trudi stampfte mit dem rechten Fuß auf. »Ich will aber nicht, dass die Zicklein umgebracht werden!«
»Vorerst werden sie es auch nicht. Vielleicht ziehe ich sie auch ganz auf und vergrößere damit unsere Herde«, versuchte Hiltrud, die Kleine zu beruhigen.
Damit gab das Mädchen sich fürs Erste zufrieden, und so konnten sie sich auf den Weg zum See machen. Sie hatten die Holunderbüsche noch nicht erreicht, da vernahmen sie Hufschlag, der rasch näher kam.
»Wer mag das sein?«, fragte Hiltrud besorgt.
»Das werden wir gleich sehen!« Marie blieb stehen und blickte nach vorne.
Seitlich des Burghügels stieg eine Staubfahne auf, wie sie nur eine große, rasch reitende Schar erzeugen konnte, und das Geräusch aufeinanderschlagenden Metalls verriet, dass es sich um Ritter in schweren Rüstungen handelte. Das beruhigte Marie, denn Hussiten zogen Michels Berichten nach leichter gewappnet und auch weniger lärmend ins Feld als Sigismunds Truppen. Daher schloss sie, dass es sich um Falko von Hettenheim und seine Leute handeln musste, und blieb am Rand der Straße stehen, bis die Reiter herangekommen waren.
Diese bemerkten Hiltrud und Trudi, ritten aber weiter, ohne langsamer zu werden oder auf andere Art Rücksicht zu nehmen. Hiltrud wich mit einem schnellen Schritt in die Wiese aus, als einer der Reiter direkt auf sie zutrabte. Auch Marie verließ jetzt die Straße und zog Trudi am Arm mit sich. Dabei verlor das Mädchen seine Puppe und wollte sie wiederholen. Marie hielt sie jedoch fest und musste zusehen, wie die Hufe eines Pferdes die Puppe trafen. Diese flog durch die Luft und blieb schmutzig und verdreht auf der Straße liegen.
»Diese bösen Männer!«, schimpfte Trudi und ballte die kleinen Fäuste.
Marie sah den rücksichtslosen Reitern nach, und ihr wurde das Herz schwer. Wenn Michel mit dieser Schar in den Krieg ziehen musste, würde er nicht glücklich werden. Einen Augenblick schob sie das Kinn trotzig vor. Wozu wollte er auch in den Krieg ziehen! Dann aber senkte sie den Kopf und streichelte ihrer Tochter die Wange.
»Thomas wird dir eine neue Puppe basteln, mein Schatz.«
»Sie hätten sie nicht kaputt machen dürfen«, schniefte die Kleine.
»Wahrscheinlich haben sie die Puppe nicht gesehen!« Noch während sie es sagte, ärgerte Marie sich darüber, dass sie diese Kerle auch noch verteidigte. Wenn Hiltrud und sie nicht rechtzeitig ausgewichen wären, hätten Hettenheims Leute sie glatt über den Haufen geritten.
Mit dem Gefühl, die Besucher seien keine edlen Ritter, sondern elende Rüpel, drehte sie sich um und kehrte zur Burg zurück. Trudi lief hinter ihr her, während Hiltrud überlegte, ob sie nicht doch rasch ein paar Hollerdolden schneiden sollte. Dann aber begriff sie, dass Marie keine Küchlein mehr backen würde, wenn Michel bereits an diesem Tag mit den Kriegern aufbrechen musste, und folgte ihrer Freundin.
10.
A uf dem Vorplatz der Burg zügelte Falko von
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