Die Rache Der Wanderhure
schwarzer Aasvogel. Und du hättest Sigismund in seinem härenen Hemd sehen sollen, das er zum Zeichen der Demut trug. Du kannst dir nicht vorstellen, wie er darin aussah!«
Maries Blick wanderte in eine Vergangenheit zurück, in der sie noch um ihre Unschuld und ihre Ehre gekämpft hatte. Damals hatte sie für eine Nacht den Platz in Sigismunds Bett eingenommen. Mit einem harten Auflachen vertrieb sie die Schatten, die sich ihrer bemächtigen wollten.
»Er hat Storchenbeine, nicht wahr?«
Verwirrt schüttelte Michel den Kopf. Marie merkte es und begriff, dass es nicht klug war, einen Mann daran zu erinnern, wer vor ihm seine Frau besessen hatte.
»So habe ich es wenigstens gehört!«, sagte sie.
Da Michel noch immer ein wenig finster schaute, legte sie die Bürste weg und setzte sich neben ihm aufs Bett.
»Aber was sind schon die Beine eines Königs gegen die strammen Schenkel eines jungen Burghauptmanns!« Mit diesen Worten zog sie die Decke von Michel und setzte sich auf ihn. Ihr Blick zeigte so viel Liebe und Hingabe, dass Michel zu lächeln begann und sie um die Taille fasste.
Als sie ihr Becken nach vorne schob und sein Glied in sich aufnahm, spottete er leise. »So ganz, wie die heilige Kirche es will, treiben wir es gerade nicht!«
»Ich mache es so, dass es uns beiden Freude macht«, antwortete Marie und bewegte sich schneller. Sie spürte seine Hände warm auf ihren Hüften und hörte ihn rascher atmen. Doch der melancholische Zug auf seinem Gesicht, den sie seit seiner Rückkehr beobachtet hatte, wollte nicht weichen.
»Woran denkst du?«, fragte sie, ohne innezuhalten.
Michel rang sich ein Lächeln ab. »Ich will dein Bild in mein Herz brennen, damit ich es jeden Tag vor Augen habe.«
Verwundert blickte Marie auf ihn hinab. »Aber du siehst mich doch jeden Tag!«
Das Gesicht ihres Mannes nahm einen schuldbewussten Ausdruck an, doch er presste die Lippen zusammen.
Marie wollte jedoch nicht mehr warten, bis er sich bequemte zu reden, und hörte mitten im Liebesspiel auf. »Sag, was los ist!«
»Wollen wir nicht lieber weitermachen?«
Marie drückte ihn mit beiden Händen nieder. »Rede!«
Einen Augenblick lang zögerte Michel noch, sagte sich dann aber, dass er die Wahrheit sowieso bald bekennen musste, und zuckte mit den Schultern. »Also gut! Es ist wegen der Hussiten. Sigismund will ein Heer aufstellen, um gegen sie vorzugehen. Da muss ich auch mit.«
»Ich will nicht, dass du weggehst!«, rief Marie erschrocken aus.
»Ich muss! Schließlich ist Krieg.«
Nun war der Augenblick gekommen, vor dem Michel sich während seiner ganzen Rückreise gefürchtet hatte, und er schalt sich einen Narren, weil er das Unumgängliche hinausgezögert hatte. Selbst eine weitaus dümmere Frau als Marie hätte merken müssen, dass ihn etwas belastete. Doch wie sollte er ihr erklären, welche Pflichten er dem König gegenüber hatte? Unsicher blickte er zu ihr auf und fasste sie bei den Händen.
»König Sigismund hat mich zum Burghauptmann von Hohenstein ernannt, und dafür bin ich ihm Treue und Gefolgschaft schuldig. So ist nun einmal das Gesetz!«
»Komm mir nicht mit dem Gesetz!«, rief Marie leidenschaftlich. »Im Namen des Gesetzes hat man mir meine Unschuld genommen und mich ausgepeitscht. Diese Narben werden niemals ganz verheilen. Nein, du bist dem König nichts schuldig. Er schuldet eher mir etwas.«
Michel starrte Marie an, der Tränen in die Augen traten, und fühlte sich so elend wie lange nicht mehr. »Es tut mir leid! Aber als der König uns Hohenstein übertrug, habe ich ihm Schwerttreue geschworen. Diesen Eid darf ich nicht brechen, sonst wäre ich ehrlos, und wir würden unsere Heimat verlieren. Willst du, dass wir als Bettler umherziehen? Denk doch an Trudi! Das kannst du ihr nicht antun. Marie, bitte! Ich kann und darf Sigismund nicht enttäuschen.«
Marie war jeder Funken Lust abhandengekommen. Schniefend stieg sie von ihrem Mann herab und legte sich bäuchlings aufs Bett, den Kopf zur Seite gedreht.
Michel streichelte sie vorsichtig und sprach leise weiter. Mit einfachen Worten versuchte er, Marie die strengen Regeln zu erklären, die den Lehensmann an seinen Lehensherrn banden. Solange er zu Sigismund hielt und dessen Befehle befolgte, zählten er und sie zum Schwertadel des Reiches. Brach er jedoch seinen Treueschwur, waren sie verfemt und galten nicht mehr als das fahrende Volk auf den Straßen, das betteln und stehlen musste, um zu überleben, und oft genug dafür am nächsten
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