Die Rache Der Wanderhure
Eisen gemacht. Mit dem Gefühl, vor einem dunklen Geheimnis zu stehen, legte er die Kugel beiseite und kümmerte sich wieder um den Verwundeten. Wie er es erwartet hatte, trat frisches Blut aus der Schulterwunde. Obwohl der Deutsche bereits viel von seinem Lebenssaft verloren hatte, wartete er einen Augenblick, weil das Blut Schmutz und böse Geister herausschwemmte. Dann spie er die Kräuter, die er gekaut hatte, in die Hand und presste den Brei auf die Verletzung. Nachdem er noch einmal die Geister seiner Heimat angerufen hatte, wickelte er einen festen Verband um die Schulter des Mannes.
Damit war die erste Verletzung versorgt. Sie war groß genug, um selbst einen kräftigen Menschen umzubringen. Doch der Wille des Deutschen war stark, und Marat nahm an, dass er überleben würde. Daher kümmerte er sich nun um die Wunde an der Schläfe. Um sie richtig behandeln zu können, musste er nicht nur Blut und Schmutz abwaschen, sondern auch den Kopf um diese Stelle herum rasieren. Obwohl er vorsichtig arbeitete, stöhnte der Verletzte und bäumte sich auf.
»Ganz ruhig! Ich helfe dir doch!«, sagte Marat in sanftem Tonfall und schob den Verletzten wieder auf das Lager zurück. Zu seiner Erleichterung beruhigte der Mann sich und fiel in einen tiefen Schlaf, der einer Ohnmacht gleichkam.
»Hoffentlich wacht er wieder auf!«, stieß Marat besorgt aus.
Er wollte den Fremden nicht meilenweit getragen und sich so viel Mühe mit der Versorgung seiner Wunden gemacht haben, um ihn schließlich doch sterben zu sehen. Daher sandte er erneut Gebete an die Geister des Himmels, während er die Haut um die Schläfenwunde freilegte. Auch diese Verletzung sah anders aus als alles, was er kannte. Sie zog sich so über den Schädel hin, als hätte das Geschoss den Mann nur gestreift. Als er mit den Fingern leicht darüberstrich, spürte Marat, dass die Kugel den Knochen an einer Stelle nach innen gedrückt hatte. Sollten sich dort scharfe Knochensplitter in den Kopf des Mannes bohren, hatte dieser nicht mehr lange zu leben.
In der Hoffnung, dass dies nicht der Fall war, versorgte Marat die Wunde mit all der Kunst, die er sich in seinem Leben als Krieger angeeignet hatte. Nachdem er dem Verletzten einen Kopfverband angelegt hatte, füllte er die Räucherpfanne neu und bat die Geister des Himmels und der Winde, ihm und dem Fremden beizustehen.
3.
N achdem er Michel Adler aus dem Weg geräumt hatte, kehrte Falko von Hettenheim in einem Zustand wachsender Euphorie ins Lager zurück. Der erste und, wie es aussah, auch der wichtigste Auftrag des römischen Inquisitors Janus Suppertur war erfüllt und er selbst der Kaiserkrone ein ganzes Stück näher gekommen. Den Rest würden die Hussiten erledigen. Bisher hatte sein Vetter Sigismund im Kampf gegen diese Ketzer versagt. Er hingegen würde, sobald er Kaiser geworden war, dieses Gesindel mit harter Hand niederwerfen und beweisen, dass er des Vertrauens würdig war, das Martin V. in ihn setzte.
Nun musste er persönlich Janus Suppertur Vollzug melden. Der letzten Botschaft nach wartete der Inquisitor in einem Kloster in der Nähe von Nürnberg auf seine Nachricht. Mit einem höhnischen Lachen fragte Hettenheim sich, was Sigismund wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass er durch sein Zögern des päpstlichen Segens und gleichzeitig auch seiner Krone verlustig gegangen war.
Vorerst aber musste er seine Pläne tief im Herzen verbergen. Sigismund war zwar ein zaudernder Weichling, dennoch gab es Augenblicke, in denen sein Vetter erstaunlich schnell und hart handeln konnte.
Hettenheim wusste, dass er vorsichtig sein musste, wenn er nicht dem Dolch eines Meuchelmörders oder dem Schwerthieb eines bestochenen Söldners zum Opfer fallen wollte. Ebenso wenig durfte er sich der Gefahr aussetzen, von streifenden Hussiten umgebracht zu werden. Daher befahl er Loosen, Haidhausen und seinem Unteroffizier Eberhard, eine kampfstarke Begleitmannschaft zusammenzustellen, die ihn zu Janus Suppertur eskortieren sollte.
»Mühldorfer, du bleibst hier und sorgst dafür, dass hier alles seinen Gang geht«, erklärte er seinem Sergeanten, als dieser ebenfalls auf sein Pferd steigen wollte.
»Wenn Ihr meint! Du kannst meinen Gaul absatteln und ihm ein wenig Hafer geben, wenn noch welcher da ist!« Mühldorfers letzter Satz galt einem Knecht, der sich um das Pferd kümmern sollte.
Dann wandte der Sergeant sich wieder seinem Herrn zu. »Ihr wollt wohl den Nachschub selbst holen und ihm Begleitschutz geben.
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