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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sie darin eintauchte, entglitt ihr Michels Hand, und sie blieb stehen.
    »Michel, wo bist du?«, fragte sie erschrocken und sah sich um. Ihre Blicke konnten die grauen Schwaden nicht mehr durchdringen.
    Da glaubte sie auf einmal, Michels Stimme zu hören. »Marie! Trudi!«, rief er.
    »Michel! Hier bin ich«, schrie Marie so laut, wie sie es vermochte. Doch sie erhielt keine Antwort. Verzweifelt eilte sie in die Richtung, aus der die Stimme ihres Mannes gekommen war, stolperte dabei über einen Stein und schlug hin. Sofort war sie wieder auf den Beinen, verbiss sich den Schmerz und rief immer wieder Michels Namen in die graue Düsternis hinein.
    Da vernahm sie ein Geräusch und lief in die Richtung, aus der es gekommen war. Für ein paar Augenblicke lichtete sich der Nebel, und sie sah Michel nur wenige Mannslängen vor sich gehen. Erleichtert eilte sie ihm nach, doch da beschleunigte er seine Schritte, und der Abstand zwischen ihnen wurde immer größer.
    »Michel, so warte doch!«, rief sie, merkte aber, dass ihre Stimme kraftlos wurde.
    Dennoch schien er sie gehört zu haben, denn er drehte sich langsam zu ihr um. Er war hagerer als früher und stoppelbärtig. Als er ihr das Gesicht zuwandte, sah sie die tiefe Wunde an seiner linken Schläfe. Schmutz und geronnenes Blut bedeckten Haar und Haut bis hinab zum Kragen und gaben ihm ein erschreckendes Aussehen.
    »Michel, was ist geschehen?«, schrie sie entsetzt und wachte auf.
    Es dauerte eine Weile, bis Marie begriff, dass sie in ihrem eigenen Bett auf Burg Hohenstein lag und soeben das Opfer eines Alptraums geworden war.
    Doch Michels blutiges Gesicht hatte sich so fest in ihre Gedanken eingebrannt, dass sie nicht mehr im Bett bleiben konnte. Sie stand auf, öffnete die Fensterläden, so dass das Mondlicht in die Kammer drang, und starrte zu den Sternen empor.
    »Es war nur ein Traum«, sagte sie und versuchte, ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen. »Michel geht es gut! Ihm ist nichts geschehen.«
    Doch es nützte nichts, dies sich selbst eindringlich zu versichern. Ihre Angst wuchs und beherrschte sie schließlich so stark, dass sie die restliche Nacht am Fenster stehen blieb und nach Osten starrte. Dorthin hatte ihr Mann ziehen müssen, um in König Sigismunds Diensten zu helfen, einen Krieg zu gewinnen.
    Erst als die Morgensonne die Schatten der Nacht vertrieb und die Geräusche der erwachenden Burg in ihre Kammer drangen, rührte Marie sich wieder. Sie wusch sich und machte sich für den Tag zurecht, so wie sie es immer getan hatte. Doch als sie ihre Kemenate verließ und nach unten stieg, war ihr Gesicht so bleich wie frisch gewaschenes Linnen.
    Hiltrud, die wie jeden Tag Milch und Käse aus ihrem Meierhof zur Burg gebracht hatte, eilte erschrocken auf sie zu. »Was ist geschehen? Bist du krank?«
    »Nein! Ich habe nur sehr schlecht geschlafen und noch schlechter geträumt«, antwortete Marie leise und klammerte sich an ihre Freundin.
    Sie wagte nicht, Hiltrud zu berichten, was ihr das Herz schwermachte. Daher rieb sie sich heftig über die Stirn, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und versuchte dann, ihre Aufgaben als Kastellanin der Burg so gut zu erfüllen, wie sie es in ihrem Zustand vermochte.
    »Wenn Michel zurückkommt, soll er mit mir zufrieden sein«, sagte sie zu Hiltrud und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln.
    Es war gut, dass Trudi in dem Moment erschien und ihre Aufmerksamkeit forderte, denn Marie wusste, dass sie sich nicht der Angst und dem Schrecken hingeben durfte, den der Traum bei ihr hinterlassen hatte. Trudi brauchte sie, und das war derzeit der einzige Halt, über den sie verfügte.
    Immer wieder jedoch glitten ihre Gedanken zu dem Krieg im Osten, und sie sehnte sich nach einer Nachricht von Michel. Sie wollte nur hören, dass es ihm gutginge und er bald wieder in die Heimat zurückkehren würde. Sonst würde der Alptraum der vergangenen Nacht regelmäßig bis zu ihrem Wiedersehen zurückkehren und sie peinigen.

2.
    M arat, der Waffenmeister des Grafen Sokolny, wunderte sich über sich selbst. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus hatte er den verletzten Deutschen nicht nur aus dem Wasser gezogen, sondern schleppte ihn auch noch auf den eigenen Schultern nach Sokolny. Ich hätte doch ein Pferd mitnehmen sollen, sagte er sich, weil die Last ihm die Kraft aus den Knochen sog, so dass er schließlich froh war, das am Fuß des Burgbergs liegende Dorf auftauchen zu sehen.
    Er brachte den Deutschen nicht zur Festung hoch,

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